Karfreitags-Zeremonie:"Wir können nicht nur Zuschauer sein"

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Begleitet von zehntausenden Pilgern hat Papst Benedikt XVI. erstmals den Kreuzweg in Rom geleitet. In einer politischen Rede verurteilte er die Laster der modernen Welt: Egoismus, Gentechnik, Armut und den Verfall von Familien.

Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt vor knapp einem Jahr hat Papst Benedikt XVI. am Abend des Karfreitags die traditionelle Kreuzwegsprozession in Rom zelebriert. Vor tausenden Pilgern trug der 78-jährige Pontifex ein hölzernes Kreuz an der ersten und der letzten der 14 Stationen des Kreuzwegs im Kolosseum. In einer kurzen Ansprache forderte er die Anwesenden auf, sich persönlich auf den "Weg der Barmherzigkeit" zu machen.

"Doch sich an Gottes Stelle zu setzen, ohne Gott zu sein,ist die dümmste Arroganz, ist das gefährlichste Abenteuer." - Papst Benedikt XVI. auf dem Kreuzweg. (Foto: Foto: dpa)

Zuvor hatte Benedikt XVI. im Petersdom die Karfreitagsmesse gefeiert und die Menschen dazu aufgerufen, des Todes Christi zu gedenken. Vor der Prozession feierte Papst Benedikt im Petersdom eine mehr als zweistündige Messe. Franziskanerpater Raniero Cantalamessa kritisierte in seiner Predigt den Bestseller "Der Da-Vinci-Code", in dem die kirchliche Lehre über das Leben Jesu umgekehrt wird.

Im Schein zahlreicher Fackeln wurde das Kreuz von ausgewählten Priestern und Laien über den Kreuzweg getragen. Unter ihnen waren eine italienische Familie, eine südamerikanische Nonne, ein US-Studentenpriester und junge Gläubige aus Nigeria, Angola, Korea und Mexiko.

In den von den Sprechern vorgetragenen Meditationstexten wurde unter anderem an die Leiden der Menschen der heutigen Zeit, vor allem der "verlassenen und missbrauchten Kinder", erinnert. Aber auch die Teilung der Welt in Arm und Reich sowie die "Bedrohungen der Familie" wurden beklagt.

Vor allem griff die katholische Kirchen beim ersten Kreuzweg unter Papst Benedikt XVI. die Laster der modernen Welt an: "Herr Jesus, der Wohlstand lässt uns unmenschlich werden, die Vergnügung ist zur Entfremdung, zur Droge geworden; und der monotone Werbespot dieser Gesellschaft ist die Einladung, im Egoismus zu sterben", hieß es. Es sei nötig, sich von der "Dekadenz des Egoismus" zu befreien, um wieder Lebensfreude zu finden.

Zur Familie und mit Blick auf die Gentechnologie hieß es in der siebten Station, der Mensch wolle die Familie neu erfinden und das verändern, was Gott ersonnen hatte: "Doch sich an Gottes Stelle zu setzen, ohne Gott zu sein,ist die dümmste Arroganz, ist das gefährlichste Abenteuer."

Die Texte stammten in diesem Jahr vom Generalvikar des Vatikanstaates, Erzbischof Angelo Comastri. Im vergangenen Jahr war der damalige Kardinal Joseph Ratzinger für die Meditationstexte verantwortlich. Sein Vorgänger, der schwer kranke Papst Johannes Paul II., konnte die Zeremonie nur vor dem Fernsehgerät verfolgen.

Acht Tage später starb der Papst; drei Wochen danach, am 19. April, wurde Ratzinger zu seinem Nachfolger gewählt.

"Auf dem Kreuzweg können wir nicht nur Zuschauer sein", sagte der in einen roten Mantel gehüllte Papst am Abend weiter. "Wir sind mit eingebunden, und wir müssen unseren Platz finden."

Es gebe keine Möglichkeit, neutral zu sein, betonte der 78-Jährige, der am Gründonnerstag die Osterfeierlichkeiten eröffnet hatte. Dabei hatte er in der Lateran-Basilika einen Abendmahlgottesdienst mit der traditionellen Fußwaschung zelebriert. Benedikt XVI. wusch zwölf Männern die Füße, so wie Jesus es bei den zwölf Aposteln beim letzen Abendmahl getan hatte.

Am Ostersamstag feiert der Papst um 22 Uhr die Ostervigil im Petersdom. Höhepunkt des Osterfestes ist der Sonntag. Auf dem Petersplatz wird das Oberhaupt der katholischen Kirche nach der Ostermesse den traditionellen Segen "Urbi et orbi" (Der Stadt und dem Erdkreis) erteilen. Am Sonntag wird der Papst 79 Jahre alt.

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