Kardelen:Visitenkarte führt Polizei zum Verdächtigen

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Im Mordfall der kleinen Kardelen hat die Polizei einen Tatverdächtigen ermittelt. Es handelt sich um einen 29 Jahre alten Mann - ein Nachbar der Familie.

Ein 29 Jahre alter Nachbar soll vor drei Wochen die achtjährige Kardelen aus Paderborn ermordet haben. Der Türke halte sich jetzt vermutlich in seinem Heimatland auf, gaben Polizei und Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz in Paderborn bekannt.

Mit Plakaten hat die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche nach dem Mörder der kleinen Kardelen gebeten. In drei Wochen sind fast 1000 Hinweise eingegangen. (Foto: Foto: dpa)

Eine Visitenkarte eines Juweliergeschäftes aus der Türkei, die am Fundort der Leiche entdeckt worden war, war für die Ermittler die entscheidende Spur, sagte der Leiter der Mordkommission, Jürgen Heinz. Nach dem 29-Jährigen, der seit 2001 in Deutschland lebt und seit 2002 hier verheiratet ist, fahnden die Behörden mit einem internationalem Haftbefehl.

Am vergangenen Montag habe die Polizei die Wohnung des Mannes durchsucht. Er lebte seit einem halben Jahr im Nachbarhaus der deutsch-türkischen Familie von Kardelen, war dieser aber nicht bekannt. Bei der Durchsuchung seien genetische Spuren gefunden worden, die mit dem am Fundort der Leiche gefundenem Material identisch waren, sagte Heinz. "Nach menschlichen Ermessen kann diese DNA nur vom Wohnungsinhaber stammen", betonte er.

In der Türkei vermutet

Der 29 Jahre alte Ali K. ist gemeinsam mit seiner 26 Jahre alten Ehefrau auf der Flucht. Die Ermittler vermuten beide in der Türkei. Deshalb werde der Mann mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, sagte Heinz. Eine Tatbeteiligung der Ehefrau des 29-Jährigen sei nicht völlig auszuschließen, sagte er.

Der arbeitslose Mann war 2001 nach Deutschland gekommen und vor einem halben Jahr von Herne im Ruhrgebiet nach Paderborn gezogen. "Er ist unauffällig und bisher nicht in Erscheinung getreten", sagte der ermittelnde Staatsanwalt Ralf Vetter.

Die Leiche der achtjährigen Kardelen fanden Polizisten am 15. Januar am Möhnesee. Die Untersuchungen ergaben, dass Kardelen sexuelle Gewalt angetan und erstickt wurde. Die nackte Leiche war unter Tannenzweigen versteckt gewesen. Seitdem hat eine aus 60 Beamten zusammengesetzte Mordkommission nach dem Mörder des Kindes gesucht.

Ali K. sei am Tag nach der Tat mit seiner Frau mit einem Rollkoffer in der Nachbarschaft gesehen worden und ist seitdem verschwunden. Nachbarn hatten der Polizei bei Vernehmungen gesagt, beide seien vermutlich in der Türkei, beim kranken Vater des Mannes.

Unklar war am Mittwoch noch, ob das Kind bereits in der Wohnung des Mannes getötet wurde. Das müsse die Auswertung der bei der Durchsuchung gesicherten Spuren beim Landeskriminalamt ergeben, hieß es. Die Wohnung habe auf die Polizisten einen gepflegten Eindruck gemacht. Es habe nicht nach einer Flucht ausgesehen.

Die Ermordung Kardelens hatte in ganz Deutschland für Empörung gesorgt. In Paderborn beteiligten sich wenige Tage nach der Tat mehrere tausend Teilnehmer an einem Trauerzug durch die Innenstadt. Seine letzte Ruhestätte fand das Mädchen in der Türkei.

Lesen Sie auf Seite 2 eine Chronologie des Falls

Der Mordfall Kardelen - eine Chronologie

12. Januar: Die achtjährige Kardelen wird ein letztes Mal lebend gesehen, als sie an der Tür eines Nachbarhauses klingelt. Sie wollte zum Spielen zu ihrer Freundin. Die Familie meldet das Kind als vermisst, als es nicht nach Hause kommt. Die Polizei sucht mit einem Hubschrauber nach der Achtjährigen.

14. Januar: Zwei Frauen finden in der Nähe des Möhnesees, 60 Kilometer von Paderborn entfernt, Kinderkleidung. Die Kleidung wird später der achtjährigen Kardelen zugeordnet.

15. Januar: Die Polizei sucht das Gelände um den Möhnesee mit Hunden und Hubschraubern ab. Ein Polizeihund führt die Suchtrupps zur Leiche des Mädchens. Sie ist unter Tannenzweigen versteckt.

16. Januar: Polizei und Staatsanwaltschaft geben das Obduktionsergebnis bekannt. Bei der Leiche handelt es sich um Kardelen. Die Mutter bricht über dem Sarg des Mädchens zusammen. 8000 Paderborner versammeln sich in der Innenstadt zu einem Trauermarsch, um ihre Anteilnahme auszudrücken.

17. Januar: Die in die Türkei geflogene Leiche Kardelens wird im Heimatland der Familie zu Grabe getragen.

21. Januar: Eine Woche nach dem Leichenfund sind bereits 400 Hinweise aus der Bevölkerung bei der Polizei eingegangen. Eine heiße Spur fehlt jedoch.

23. Januar: Die Mitschüler des Mädchens nehmen bei einer Trauerzeremonie Abschied von ihrer Schulfreundin. Viele brechen in Tränen aus.

26. Januar: Die Mordkommission der Paderborner Polizei wird von 50 auf 60 Beamte nochmals aufgestockt. Die Flut der Hinweise aus der Bevölkerung reißt nicht ab.

4. Februar: Die Polizei teilt mit, es geben einen dringenden Tatverdacht gegen einen Mann aus Paderborn.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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