Kannibalismus-Prozess:"Er hat sich seinen Traum erfüllt"

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Im Prozess um einen Fall von Kannibalismus ist der Angeklagte auch von einem zweiten Gutachter für voll schuldfähig erklärt worden. Die Tat sei geplant, vorbereitet und gezielt durchgeführt worden, erläuterte der Psychiater und Psychologe Professor Georg Stolpmann dem Gericht.

Der Angeklagte sei sich seiner Tat bewusst gewesen, daran ändere auch die "schwere seelische Abartigkeit" des Angeklagten Armin M. nichts. Am Montag hatte bereits ein Sexualwissenschaftler dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Folgt das Gericht den Gutachtern, so ist eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik laut Strafgesetzbuch ausgeschlossen.

Armin M. (Foto: Foto: dpa)

Der 42 Jahre alte Angeklagte hatte vor Gericht gestanden, in der Nacht zum 10. März 2001 in seinem Haus in Rotenburg-Wüstefeld dem 43-jährigen Diplomingenieur Bernd B. aus Berlin vor laufender Videokamera den Penis abgeschnitten, ihn erstochen, wie ein Schlachttier ausgenommen und später teilweise gegessen zu haben.

Stolpmann betonte, die Abartigkeit und Grausamkeit einer Tat sage nichts über die Schuldfähigkeit des Täters aus. M. habe sein Verhalten voll steuern können und gewusst, dass er sich strafbar mache.

M. sei "einen äußerst selbstzufriedener und selbstsicherer Mensch", der gleichzeitig anderen gefallen und niemanden versetzen wolle, sagte der Psychologe. Wegen des eigensüchtigen Verhaltens seiner Mutter, die sich nach M.s Wahrnehmung "wie eine Gutsherrin" aufgeführt habe, habe er nicht richtig gelernt, "zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen und aufrecht zu erhalten".

Fantasiewelten seien für M. dagegen besonders wichtig; letztlich sei er "eine Persönlichkeit mit schizoiden Zügen". So habe er sich früher einen Freund vorgestellt, der ihn nicht mehr verlassen könne.

Die "scheinbar reale Kommunikation im Internet" habe ihn schließlich in seinen Schlachtfantasien bestärkt.

Stolpmann führte aus, dass M. ein festes Selbstwertgefühl habe, zu dem auch die eigene Überzeugungskraft und damit die Freiwilligkeit seines Opfers gehöre.

Allerdings habe er selbst gesagt, er gehe auf die Wünsche möglicher Schlachtopfer ein, um sich diese "gefügig" zu machen. "Bei der Tat hat M. nur an sein Ziel gedacht, nicht an die Bedürfnisse des Bernd B.", sagte der Gutachter. "M. hat sich seinen Traum erfüllt."

Der Psychologe zweifelte an M.s Aussage, er habe zur Verwirklichung seiner Schlachtfantasien nur gleichwertige und sympathische Partner gesucht. Eine gewisse Sympathie sei nur für das Essen des Menschenfleisches wichtig gewesen, nicht aber für das Schlachten.

Männerfleisch sei M.s sexueller Fetisch gewesen, mit dem Schlachten habe er aber auch Machtfantasien verwirklichen wollen.

So wie M. sich angepasst habe, habe umgekehrt auch Opfer Bernd B. auf seinen Wunsch verzichtet, bei lebendigem Leib "zerfleischt" zu werden, damit M. ihm zumindest den Penis abschneide. Auf dem Video von der Tat sei nicht erkennbar, dass B. von seiner Bereitschaft zum Tod abgerückt sei.

Auch eine Beeinträchtigung des freien Willens durch die von B. eingenommenen Medikamente sei nicht zu belegen. Die Staatsanwaltschaft wirft M. Mord vor, die Verteidigung betont dagegen die Freiwilligkeit des Opfers und spricht von "Tötung auf Verlangen". Die Höchststrafe hierfür liegt bei nur fünf Jahren.

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