Kampf gegen Aids:Impfstoff wird in Deutschland getestet

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An 50 Versuchspersonen wird ausprobiert, ob sich Antikörper im Blut bilden lassen, die eine HIV-Infektion in Schach halten.

(SZ vom 1.12.2003) - München - Exakt 50 Menschen in Deutschland wissen schon jetzt, dass ein HIV-Test bei ihnen bald positiv ausgehen wird. Anders als die übrigen 45000 Deutschen mit positivem Testergebnis müssen sie aber nicht mit dem Aids-Erreger leben.

In ihrem Blut wird sich stattdessen ein harmloses Impfvirus tummeln: Es soll den Organismus dazu anregen, Antikörper gegen HIV zu bilden, die das Virus im Falle einer tatsächlichen Infektion bekämpfen würden. Diese Impfungen im Rahmen eines Versuchs an gesunden Freiwilligen werden die ersten gegen Aids in Deutschland sein.

Lange schon hofft die Medizin auf einen Impfstoff gegen die Seuche. "In zwei Jahren haben wir einen Impfstoff", hatte Ronald Reagans Gesundheitsministerin verkündet, als es amerikanischen Wissenschaftlern erstmals gelungen war, Antikörper aus dem Blut von HIV-Infizierten zu isolieren. Das war 1984, und Aids hatte gerade erst einen Namen bekommen.

40 Millionen Infizierte

Doch das Vakzin kam nicht. Der Grund dafür war, dass das Virus extrem wandelbar ist. Es kann innerhalb weniger Wochen 15 Prozent seines Erbguts verändern (mit einer so umfangreichen Gen-Veränderung würde beispielsweise ein Mensch mal eben zur Meerkatze). Die Antikörper gegen HIV erkennen dann ihr Ziel nicht mehr, und der Impfschutz ist dahin.

Zum Welt-Aidstag an diesem Montag malt die Weltgesundheitsorganisation ein erschreckendes Bild: Weltweit sind mehr als 40 Millionen Menschen infiziert. Vor allem in Afrika gehört das Sterben an Aids zum Alltag, auch, weil die Medikamente, die Infizierte in Industrienationen inzwischen viele Jahre am Leben erhalten, dort unerschwinglich sind.

Organisationen wie die International Aids Vaccine Initiative (IAVI) fördern deshalb verstärkt die Entwicklung von Impfstoffen. Nach zahlreichen Enttäuschungen gibt es inzwischen ein paar viel versprechende Vakzine - zum Beispiel "gag-PR-deltaRT AAV". Dieses Impfmittel soll im Januar in Hamburg und Bonn in Probe gehen.

Anders als ihre Vorgänger bestehen die Vakzine nicht aus Eiweißen der Virushülle, die sich besonders schnell verändern. Man macht sich vielmehr zunutze, dass der Aids-Erreger in seinem Innern Eiweiße bildet, die recht stabil bleiben.

Virus "ist uns noch zu weit voraus"

Die Gene, die den Bauplan für diese Eiweiße liefern, haben US-Forscher in ein Virus namens AAV (Adeno-assoziiertes Virus) eingebaut. Dadurch kann das modifizierte AAV die HIV-Eiweiße bilden, gegen die der Körper eine Immun-Antwort entwickelt und sich so gegen den echten Aids-Erreger wappnet.

Schon jetzt aber ist klar: Der Schutz durch den Impfstoff wird keineswegs so gut sein wie etwa bei Kinderlähmung oder Röteln. "Dazu ist uns das Virus noch zu weit voraus", sagt Jan van Lunzen, Infektionsmediziner am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Leiter der Studie.

Im günstigsten Fall wird der Körper befähigt, das Virus im Falle einer Infektion so in Schach zu halten, dass es nicht oder langsamer zu den gefürchteten Spätstadien von Aids kommt. Zudem sollen geimpfte Infizierte weniger ansteckend sein.

Zunächst wird in Deutschland nur getestet, ob das Präparat die gewünschte Immunantwort provozieren kann und ob es verträglich ist. Und falls diese Ergebnisse gut genug sind, müssen weitere Studien zeigen, ob der Impfstoff auch wie gewünscht hilft. Das ist aber nur in Ländern mit hohem Ansteckungsrisiko möglich, wo Menschen trotz der Empfehlung zu Safer Sex häufig mit HIV in Kontakt kommen.

© Von Christian Guht - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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