Käfer-Plage:Schillernde Gäste

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In Mecklenburg-Vorpommern machen kleine Krabbeltiere nicht nur den Touristen das Leben schwer: Auch die Ernte ist durch die große Rapskäfer-Population in Gefahr.

Arne Boecker

Er ist nur zwei bis drei Millimeter groß und durchaus schön. Mal schillert sein Panzer in Grün, mal in Blau oder Bronze, mal kommt er in schlichtem Schwarz daher.

Ein Rapsglanzkäfer (Foto: Foto: dpa)

Dieser Tage geistert der Rapsglanzkäfer jedoch als "Problemkäfer" durch die Schlagzeilen. In einer Kopfstärke, die gern mit der Zahl "Abermillionen" beziffert wird, zieht er durch Mecklenburg-Vorpommern, nervt Touristen und zerstört Ernten. Wenn er sich derart zu Wolken verdichtet, ist meligethes aeneus für Agrarminister Till Backhaus (SPD)nichts als ein "winziger Nervtöter".

Als erstes bekamen Hotelbesitzer und Strandkorbvermieter die Plage zu spüren. Einige Touristen brachen ihren Urlaub ab oder mieden zumindestens die Strände, weil sie die Rapsglanzkäfer nicht mehr aus Mund, Nase, Ohren und Haaren brachten. In derart massiver Form, so heißt es im Schweriner Agrarministerium, habe sich der Käfer zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren über Land und Leute hergemacht.

Gelbe Kleidung zieht die Schädlinge an

Die Käfer fliegen auf Gelb: Kleider, Badetücher, Briefkästen oder das untere Drittel der Deutschlandfahne. Dieser Reflex hilft ihnen, Futter zu finden. Im Frühjahr steuern sie die Knospen des Rapses an, um dessen Blütenstaub herauszusaugen. Dazu müssen sie sich durch die Kelch- und Blütenblätter beißen. So wird aus dem schillernden Käfer ein fieser Ernteschädling.

Die Population wächst über Jahre auf", versucht Joachim Vietinghoff dem Eindruck entgegenzuwirken, derzeit geschehe Übernatürliches. Jetzt sei wohl so etwas wie ein Höhepunkt erreicht.

Vietinghoff ist Leiter des Pflanzenschutzdienstes in Mecklenburg-Vorpommern, seine Promotionsarbeit schrieb er über den Rapsglanzkäfer. Zur himmelverdunkelnden Plage konnte der Käfer werden, weil er sich mit der Zeit nicht mehr durch Pflanzenschutzmittel beeindrucken ließ. "Wir haben gegen dieses Tier derzeit nichts in der Hand", sagt Joachim Vietinghoff mit einem Schulterzucken.

Grundsätzlich werde die Zulassung neuer Produkte so restriktiv gehandhabt, dass es kaum noch eines bis auf den Markt schaffe, sagt Vietinghoff. Naturschützer halten dem entgegen, dass neue Mittel ohnehin nur neue Resistenzen hervorrufen.

"Ende August ist der Spuk vorbei"

Etwa zehn Prozent der Rapsernte in Mecklenburg-Vorpommern hat in diesem Jahr der Rapsglanzkäfer zerfressen - so die Schätzung des Agrarministeriums. Einzelne Betriebe melden sechsstellige Schadenshöhen. Der Nordosten gilt mit einer Anbaufläche von einer Viertelmillion Hektar als deutsche Rapskammer. Viel schlimmer erscheint jedoch, dass die Käferschwärme in die Kohlfelder einfielen.

Wenn sich bis zu 100 Käfer an einem Blumenkohl festklammern, ist er unverkäuflich. "Derzeit müssen deswegen etwa zehn Hektar pro Tag umgepflügt werden", sagt Pflanzenschutzfachmann Vietinghoff. Das Schweriner Agrarministerium spricht von "Totalausfällen" bei der Gemüseernte. Der Käfer plagt aber nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Wild wedelnden Touristen kann auch Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus derzeit nur den Rat geben, alles Gelbe im Schrank zu lassen. Kleide man sich gedeckter, so Backhaus, könne man das Urlaubsland ungestört genießen. Ende August begibt sich der Rapsglanzkäfer in sein Winterquartier. Dann, so Backhaus, "ist der Spuk ohnehin vorbei" - bis zum nächsten Jahr.

© SZ vom 19.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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