Jugendliche:Mainstream ist wunderbar

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Viele der befragten Jugendlichen möchten so sein "wie alle". (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Abgrenzung und Provokation sind out. Die Studie "Wie ticken Jugendliche 2016?" zeigt: Junge Leute möchten heute so sein wie alle.

Von Barbara Vorsamer und Friederike-Zoe Grasshoff

Wer noch vor wenigen Jahrzehnten auf deutschen Schulhöfen sozialisiert wurde, kennt sie alle, die Mittel zur Abgrenzung: blaue Haare, Schrammelmusik gepaart mit schlechter Laune oder zumindest ein paar provokante politische Ansichten. Alles erlaubt - solange man nicht so war wie die anderen, die Masse, die Alten.

Heute ist der Begriff des "Mainstream" bei den meisten Jugendlichen aber keine Beleidigung, sondern eine Form der Ich-Beschreibung, "ein Schlüsselbegriff im Selbstverständnis". Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Wie ticken Jugendliche 2016?" des Sinus-Instituts; eine nicht-repräsentative Erhebung, bei der 72 Jugendliche zwischen 14 und 17 zu ihren Werten und Meinungen in sogenannten "qualitativen Tiefeninterviews" befragt wurden. Und viele dieser Jugendlichen möchten so sein "wie alle" - und zwar mehr noch als vor wenigen Jahren.

Die auf Abgrenzung und Provokation zielenden Jugend-Subkulturen gebe es kaum mehr, heißt es in der Studie, die unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung in Auftrag gegeben wurde. Anders ausgedrückt: "Neo-Konventionalismus", und das klingt nun wirklich nicht nach Nirvana und gefärbten Haaren. Der Wertekanon der Jungen ist demnach größtenteils identisch mit dem der Erwachsenen: Anpassungs- und Leistungsbereitschaft, stabile Beziehungen, Halt und Orientierung in der Gemeinschaft. Den Partner fürs Leben finden, gerne bis Mitte 30, eine Familie gründen - das wollen die meisten Jugendlichen.

Zudem sehen sich die Befragten selbst als Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft - auch die jungen Muslime und die Befragten mit Migrationshintergrund. Ihrer Meinung nach heißt Mainstream auch: tolerant zu sein und religiöse Vielfalt zu akzeptieren. Die befragten Muslime distanzierten sich vom radikalen Islamismus. In der Studie wurden jedoch nur Personen interviewt, die sich zu den Themen äußern wollen. Die Vermutung, dass Jugendliche mit radikaleren Ansichten nicht mitgemacht haben, liegt also nahe. Relativ gemäßigt fallen auch die Ergebnisse in Sachen digitale Medien aus. Ein Thema, von dem man meinen könnte, dass es junge Menschen irre bewegt. Tut es aber nicht. Die Jugendlichen gehen der Studie zufolge nicht mehr online, sie sind es halt, immer. Es sei sogar eine "digitale Sättigung" erreicht. In allen sozialen Milieus können sich die 14- bis 17-Jährigen kaum mehr Digitalisierung und mehr Internet vorstellen. Weniger allerdings auch nicht.

Die Studie erfolgt seit 2008 alle vier Jahre. Da die Befragten anhand ihrer Zugehörigkeit zu definierten Milieus ausgewählt werden, sind sie ein Spiegel dieser Altersgruppe; Forscher schätzen die Studie für ihre Tiefenschärfe.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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