Italien:Erdbebenforscher warnte vor Katastrophe

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Giampaolo Giuliani hat das Beben in den Abruzzen vorausgesagt - doch niemand glaubte ihm. Seine Methode ist höchst umstritten.

Julius Müller-Meiningen, Rom

Bereits seit Monaten wurde die Region Abruzzen immer wieder von leichten Erdstößen erschüttert. 200 sollen es seit Oktober gewesen sein, sagt Professor Giulio Selvaggi vom Nationalen Institut für Geophysik.

Hat vor dem Beben gewarnt: Hobby-Seismologe Giampaolo Giuliani. (Foto: Foto: dpa)

Am Rande der Regionshauptstadt L'Aquila, die vom Erdbeben schwer heimgesucht wurde, hat auch Giampaolo Giuliani sein Anwesen. Giuliani ist Hobby-Erdbebenforscher und technischer Assistent am nuklearphysischen Institut Laboratori Nazionali del Gran Sasso. Exakt vor einer Woche sagte er mit einer umstrittenen Methode ein starkes Erdbeben in den Abruzzen voraus, das in dieser Stärke zunächst ausblieb, und nun mit einer Woche Verspätung Teile der Region verwüstet hat.

Als am vergangenen Sonntag sich die Vorhersage nicht bestätigte, sprach der Leiter des italienischen Zivilschutzes, Guido Bertolaso, von "Dummköpfen, die Spaß daran haben, falsche Nachrichten zu verbreiten". Damit war Giuliani gemeint, gegen den Anzeige wegen falschen Alarms erstattet wurde.

Doch nun, eine Woche später wurde die Region Abruzzen von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht. "Wir haben es vorhergesehen", sagt Giuliani heute.

Seit 10 Jahren würden er und seine Kollegen seismische Stöße der Art erkennen, wie sie nun die Region um die Stadt L'Aquila heimgesucht hätte. Auch in 100 bis 150 Kilometer Entfernung sei das möglich. "Seit drei Tagen haben wir eine deutliche Erhöhung des Radons festgestellt. Starke Erhöhungen von Radon zeigen starke Erdstöße an. In dieser Nacht hat mein Seismograph einen starken Erdstoß angezeigt. Wir haben die Ergebnisse online gestellt. Alle hätten wissen können, was in dieser Nacht geschehen würde", sagt Giuliani.

Unter Wissenschaftlern ist die Radon-Methode allerdings sehr umstritten. Leitende Mitarbeiter des italienischen Zivilschutzes sagten am Montag, die genauen Zeitpunkte und Stärke von Erdbeben ließen sich nicht voraussagen. Auch der Seismologe Jochen Zschau vom Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum sagte sueddeutsche.de: "Wir können Erdbeben nicht vorhersagen."

Der Test Giulianis basiert auf dem radioaktiven Gas Radon, das bei seismischen Bewegungen des Untergrunds frei wird und aus den Erdspalten an die Oberfläche drängt. Dazu hat der Techniker einen 70 mal 70 Zentimeter großen Bleikasten in seinem Keller aufgestellt, ein Gerät, das laut Giuliani feststellen könne, wie viel natürliches Radon aus dem Erdboden strömt. Auf Computerbildschirmen sehe man den Verlauf der verschiedenen Radonströme.

Tatsächlich wurde schon am 29. März in der Gegend der Stadt Sulmona ein Erdbeben mit der Stärke 4 gemessen. Dann blieb es in der vergangenen Woche ruhig. Nach dem heftigen Erdbeben vom Sonntagnacht klagt Giuliano nun auch Zivilschutz-Chef Bertolaso an: "Es gibt Leute, die sich bei mir entschuldigen müssen und das, was nun geschehen ist, auf dem Gewissen haben."

Giuliani hat nach eigenen Angaben mit seiner Radon-Methode bereits mehrere Erdbeben vorhergesehen, darunter die Katastrophe 2002 in Apulien, bei der 27 Kinder und eine Lehrerin in einer Schule in San Giuliano ums Leben kamen. Die Region Abruzzen hatte geplant, die Giuliano-Methode vom kommenden Jahr an auszuprobieren. Der nationale Zivilschutz hat sich bislang geweigert.

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