Sechs Monate ist es her, seit Karim Abdul Asis allen Mut zusammen genommen und Dalia einen Zettel mit seinem Namen und seiner Telefonnummer in ihre Einkaufstasche gesteckt hat. Das war der Anfang ihrer romantischen Beziehung.
Doch wie das verliebte Pärchen leiden viele junge Iraker unter den Auswirkungen des Krieges. Romantische Verabredungen sind in Bagdad derzeit beinahe unmöglich. Verliebte müssen sich mit ins Telefon geschmachteten Liebes-bekundungen oder romantischen E-Mails begnügen.
"Das Schlimmste war, als wir einmal in einem Café saßen und in der Nähe Explosionen und Schüsse hörten", erzählt Abdul Asis. "Wir waren nicht sicher, ob die Straßen sicher genug sind, um nach Hause zu gehen." Das hohe Risiko, das die beiden erwartet, wenn sie ihre Wohnungen verlassen, wiegt seither schwerer als die Freude, sich zu sehen. "Wir haben uns erst ein paar Mal getroffen", sagt Abdul Asis traurig.
Seit Kriegsbeginn hat sich die irakische Hauptstadt in den vergangenen vier Jahren stark verändert: Schon lang vor Sonnenuntergang sind die Straßen wie leergefegt. Stacheldraht und bewaffnete Männer dominieren das Straßenbild.
Partys gibt es nicht mehr. Die Kinos sind ebenso geschlossen wie die meisten Cafés, Schnellrestaurants und Eisdielen. Früher trafen sich junge Iraker auf einer Promenade entlang des Tigris. Doch seit 2003 ist diese fast überall geschlossen.
Zwar gibt es Pläne, die Promenade in diesem Sommer wieder zu eröffnen, doch ob sie dann erneut zu einem Anziehungspunkt für Frischverliebte wird, ist fraglich. Denn jedes öffentliche Zur-Schau-Stellen von Zuneigung - so unschuldig es auch sein mag - kann ungewollte Aufmerksamkeit herbeiführen.
In einigen Stadtteilen werden junge Paare von religiösen Fanatikern auf ihre aus deren Sicht "verbotene" Beziehung angesprochen. Dazu kommt, dass junge Frauen aus Angst vor Entführungen selbst tagsüber Angst haben, alleine nach draußen zu gehen.
Schülerinnen und Studentinnen werden daher stets von vertrauenswürdigen Fahrern oder Familienmitgliedern abgeholt. Ali Mohsen beispielsweise hat mit seiner Freundin Samara seit 2004 regelmäßig "Verabredungen" am Telefon. Er habe Samara noch kein einziges Mal getroffen, sagt der 24-Jährige: Ihre Eltern erlauben der jungen Frau nicht, ohne die Begleitung von Familienmitgliedern auszugehen.
Günstige Handy-Tarife für Romanzen
Angesichts dieser Schwierigkeiten ersetzen Handys und das Internet bei vielen irakischen Paaren reale Dates. Sie schreiben sich SMS oder telefonieren, um in Kontakt zu bleiben oder sich überhaupt erst näher kennen zu lernen.
Im Moment telefonieren Abdul Asis und seine Dalia durchschnittlich zwei Stunden am Tag miteinander. Normalerweise tun die beiden 25 und 24 Jahre alten Bagdader dies spät in der Nacht. Denn der örtliche Mobilfunkanbieter bietet besonders günstige Tarife an für Gespräche, die zwischen Mitternacht und dem folgenden Mittag getätigt werden.
Iraker, die noch keinen Partner haben, versuchen ihr Glück inzwischen häufig in Internet-Chats oder auf Dating-Webseiten. Doch die Probleme, die Vrabredungen mit sich bringen, sollen auch zu einem Anstieg von arrangierten Hochzeiten geführt haben. Viele junge und gebildete Frauen heirateten zudem wesentlich ältere Männer, die entweder reich seien oder im Ausland lebten oder sogar beides, heißt es.
"Ich habe mit eigenen Augen Mädchen gesehen, die 16 oder 17 waren und mit viel älteren Männern verheiratet wurden, damit sie hierher (nach Großbritannien) kommen können", sagt der in Großbritannien lebende irakische Autor des populären Blogs "Madly in Love with Iraq".
Selbst über das Fernsehen versuchen junge Iraker, einen Partner zu finden: "Ich suche nach einer Frau aus Bagdad, die die erste Liebe meines Lebens sein möchte", schreibt ein anonymer Zuschauer eines privaten Fernsehsenders in einem Textband und gibt die Nummer seines Mobiltelefons an.