Interview:Wie viel Tabasco pro Minute?

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Marco Frigatti ist leitender Rekordmanager bei Guinness in London. Er kennt die verrücktesten Bestleistungen und weiß, wie man ins Guinness-Buch der Rekorde kommt.

Senta Krasser

SZ: Herr Frigatti, was muss ich tun, damit ich es in Ihr Buch der Superlative schaffe? Über zehn glühend heiße Herdplatten zu laufen, reicht ja nicht mehr aus - es müssen mindestens 40 sein.

Wie wird man eigentlich leitender Rekordmanager? Das müsste Marco Frigatti eigentlich auch wissen (Foto: Foto: Süddeutsche Zeitung)

Marco Frigatti: Ihr Rekord muss messbar sein. Wenn Sie sagen: Ich habe die schönsten Schuhe der Welt, dann können wir das nicht akzeptieren. Schönheit ist subjektiv, man kann sie nicht messen. Rekorde müssen außerdem quantifizierbar sein und brechbar.

SZ: Brechbar?

Frigatti: Wir möchten unsere Leser ermutigen, die Leistungen anderer zu überbieten.

SZ: Was wäre ein nicht brechbarer Rekord?

Frigatti: Wenn einer behauptet: Ich bin der Einzige, der seinen Ellbogen verbiegen kann. Vorschläge solcher Art kriegen wir tatsächlich jeden Tag zugeschickt. Viele Menschen haben offenbar sehr dehnbare Ellbogen. Aber mehr als verbiegen geht ja nicht.

SZ: Und wenn jetzt 1000 Menschen auf einmal ihren Ellbogen umknicken würden?

Frigatti: Das würden wir schon eher berücksichtigen. Wichtig ist uns: Gibt es ein internationales Interesse? Vergangene Woche erst bin ich in die Mongolei geflogen. Dort haben 2000 Menschen gleichzeitig dasselbe Lied auf dem Matouquin, der mongolischen Kniegeige, gespielt. Wir fanden, dass diese Aktion ins Guinness-Buch gehört, weil wir unseren Lesern auch etwas beibringen wollen über fremde Kulturen.

SZ: In der RTL-Show will ein Mann aus Unterhaching 43 BHs in einer Minute öffnen - ein skurriler Kulturbeitrag.

Frigatti: Dieser Rekord wurde ursprünglich in Australien aufgestellt. Der eine oder andere deutsche Mann könnte sich nun etwas abschauen. Aber im Ernst: Die Stärke des Guinness-Buchs ist doch, dass wir so offen sind für verschiedenste Kategorien. Wir erfinden die Rekorde nicht. Die Phantasie unserer Bewerber ist grenzenlos.

SZ: Was müssen Rekordbewerber und -brecher noch beachten?

Frigatti: Sie müssen Beweise sammeln: Fotos oder Videos, eine Notarbestätigung, Zeitungsartikel, ein Logbuch. Wir überprüfen dann das Material. Dazu konsultieren wir Berater. Aus Neuseeland holen wir uns Rat, wenn wir Bungeejumpingrekorde bewerten müssen.

SZ: Am Samstag will Michael aus Langenfeld vor laufender Kamera ungesichert aus 50 Metern Höhe vom Kran springen. Das klingt lebensgefährlich.

Frigatti: Wir sind keine Sicherheitsfirma. Bei gefährlichen Rekordversuchen wie diesem achten wir darauf, dass die Akteure volljährige Profis sind und nicht das Publikum gefährden. Michael ist Stuntman, er kennt seine Grenzen.

SZ: Höher, schneller, weiter - ist Doping eigentlich ein Thema in der Guinness-Jury?

Frigatti: Wir hatten nie Probleme mit Doping. Unsere Bewerber bekommen ja auch kein Geld. Sie müssen sogar einiges investieren in ihre Rekorde. Es hätte also keinen Sinn, Drogen zu nehmen. Essrekorde, die vor allem aus Italien kommen, begrenzen wir zeitlich, weil wir Fresssucht nicht fördern wollen. Es geht dann zum Beispiel darum: Wie viel Tabasco kann ein Mensch in einer Minute zu sich nehmen?

SZ: Wie haben sich die Rekorde im Lauf der Jahre verändert?

Frigatti: Klassiker wie "der größte Mann der Welt" sind jedes Mal dabei. Das will man immer wissen, weil es sich ja auch von Jahr zu Jahr ändert. Wir sortieren aber auch nach immer neuen Kategorien. Weil es so viele Bewerbungen aus dem Bereich Computerspiele gab, haben wir aktuell die Kategorie "Highscores" aufgenommen: Dort listen wir auf, wer bei welchem Spiel die meisten Punkte erzielt hat.

SZ: Gibt es typisch deutsche Rekorde?

Frigatti: Ja. Die Deutschen sind große Sammler. Sie sammeln Masken, ausgestopfte Giraffen oder Zugfahrscheine. Bei Ausdauertätigkeiten wie Spinning liegen sie auch weit vorn.

SZ: Welches Land ist Guinness-Buch-Weltrekordhalter?

Frigatti: Die USA - weil das Land so groß ist und die Menschen am verrücktesten sind. Deutschland belegt Platz vier, nach England und Japan.

In jedem steckt ein Weltrekordhalter - auf diese Philosophie baut die Redaktion des "Guinness World Records Buchs" seit mehr als 50 Jahren. Die Ausgabe 2007 liegt druckfrisch im Buchhandel vor. RTL hat die TV-Rechte für Deutschland erworben und zeigt an diesem Samstag die Live-Show "Guinness World Records - Die größten Weltrekorde". Marco Frigatti, der leitende Rekordmanager bei Guinness in London, wird sich vergewissern, dass bei den Rekordversuchen alles korrekt abläuft.

© SZ vom 7.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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