Interview:Steckt Treue in den Genen?

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Untreue Wühlmäuse können durch Genmanipulation zu treu sorgenden Familienvätern werden. Und wie ist das bei Menschen? Bruno Allolio von der Universität Würzburg über Hormone, Körper und Geist.

Polygame Wühlmäuse können durch Genmanipulation zu treu sorgenden Familienvätern werden. Das berichten amerikanische Wissenschaftler in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature (Bd.429,S.754,2004).

Immer wieder beschreiben Forscher molekulare Details, die angeblich unsere Gefühle und Charaktereigenschaften bestimmen. An der Universität Würzburg beschäftigt sich Bruno Allolio mit den Auswirkungen, die Hormone und andere Botenstoffe auf Körper und Geist haben.

SZ: Ist Treue genetisch bedingt?

Allolio: Die bisherigen Studien zeigen, dass es bei Tieren offenkundig so ist. Ob das für Menschen auch zutrifft, bleibt unklar.

Immerhin wissen wir, dass Scheidungskinder, bei denen fehlende Treue in der Familie manifest geworden ist, später häufiger zu Scheidungen neigen. Doch die sozialen Ursachen dieses Verhaltens sind sicher viel erheblicher und schwer von den biologischen zu differenzieren.

SZ: Welche Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen?

Allolio: Es gibt Beobachtungen über das unterschiedliche Sexualverhalten der Geschlechter. Biologisch ist hier aber kein Zusammenhang zu den zirkulierenden Hormonen belegt.

SZ: Was heißt das?

Allolio: Männer werden durch mehr oder weniger Testosteron nicht treuer oder untreuer - allenfalls, wenn sie hormonell kastriert werden. Sexuelle Aktivität wird zwar durch verschiedene Hormone moduliert. Das hat aber noch nichts mit Treue oder Untreue zu tun.

Das häufige Wechseln der Sexualpartner ist wohl eher Ausdruck einer frühen Prägung des Gehirns. Aus Tierversuchen weiß man, dass das hormonelle Milieu in der Gebärmutter die Struktur des Gehirns und damit auch das Sexualverhalten lebenslang beeinflusst.

SZ: Kann man den Einfluss von Biologie und Umwelt denn bemessen?

Allolio: Theoretisch ja. Indem man etwa Kinder von untreuen Leuten, die zusammenbleiben, mit Kindern vergleicht, bei denen sich die Eltern getrennt haben. Es wäre allerdings auch interessant, bei besonders Bindungsunfähigen zu schauen, ob sie Rezeptordefekte für bestimmte Moleküle haben.

SZ: Was weiß man über die Moleküle der Gefühle?

Allolio: Unsere bisherigen Kenntnisse stammen weitgehend aus Tierversuchen. Wir wissen, dass Oxytocin, ein Hormon des Zwischenhirns, auch beim Menschen eine Rolle für die Bindung der Mutter an ihre Kinder spielt.

Die Forschung stößt hier aber an natürliche Grenzen. Wir können beim Menschen ja nicht gezielt Gene ausschalten wie beim Tier. Außerdem ist der Mensch in seinen sozialen Möglichkeiten viel freier als die meisten Tiere. Es gibt bei uns geistig wie charakterlich eine viel größere Unvorhersehbarkeit als etwa im Leben von Mäusen.

SZ: Es gibt ja auch das Phänomen, dass man "einander lieben lernt" - etwa bei arrangierten Vernunftehen. Was passiert da im Körper?

Allolio: Diese Ehen sind im Durchschnitt ja nicht weniger "erfolgreich" als die aus Liebe geschlossenen. Dafür muss es biologische Mechanismen geben. Gelebte Sexualität führt auch zu engen Bindungen. Die Entscheidung über die Dauer der Bindung entsteht wahrscheinlich im Laufe einer Beziehung und nicht durch Liebe auf den ersten Blick.

SZ: Kann man von so etwas wie einer Neurobiologie der Romantik sprechen?

Allolio: Das turnt natürlich ab. Romantische Liebe gehört ja zu den innigsten Empfindungen des Menschen. Die Entkleidung und Reduktion solcher Sehnsüchte auf zwei, drei Moleküle und ihre Konzentrationsunterschiede hat etwas Kränkendes. Dass man jemandem ein Nasenspray verabreicht, nachdem man mit ihm intim war, damit er treu bleibt, ist für mich keine beglückende Aussicht. Da spüre ich Widerwillen.

SZ: Können betrogene Partner trotzdem auf die Treue-Pille hoffen?

Allolio: Das wäre denkbar. Aber es gibt ja auch noch die andere Richtung.

SZ: Und die wäre?

Allolio: "Bindungs-Löser", um nach einer unglücklichen Trennung den Liebeskummer abzutöten. Nach Eheschließungen hilft hingegen"Partnerschafts-Kleber". Eine Gesellschaft, die nur untreu - oder nur treu - ist, wäre aber langweilig und vermutlich dem Untergang geweiht.

Wir erleben ja mittlerweile, dass Kinder fast nur nach Plan zur Welt kommen. Mein Gefühl ist, dass bei nicht geplanten Kindern naturwüchsige Kräfte wirken, die der Gesellschaft nutzen. Ungeplante Urgewalt und Kreativität sind der perfekten Kontrolle über die Fortpflanzung evolutionär vielleicht doch überlegen.

Interview: Werner Bartens

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