Interview:Ein Anruf bei...

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Hagen Späth, Nestbauer für Störche

Monika Goetsch

In diesen Wochen kehren die Störche aus ihrem afrikanischen Winterquartier nach Deutschland zurück. Hagen Späth, 65, genannt "Storchenvater", war maßgeblich beteiligt an ihrer Ansiedlung im Breisgau. Der gelernte Möbelschreiner und langjährige Berufsfeuerwehrmann ist Gründer und Vorsitzender des "SOS Weißstorch Breisgau e.V." und Träger des Freiburger Umweltpreises.

Hagen Späth bei der Arbeit: "Die Aussicht ist wunderbar!" (Foto: Foto: OH)

SZ: Seit fünfzig Jahren klettern Sie auf Storchennestern herum. Wie fühlen Sie sich in dreißig Metern Höhe?

Hagen Späth: Großartig! Die Aussicht ist wunderbar. Ein Storchennest ist schließlich das schönste Penthouse der Gemeinde!

SZ: Und was machen Sie da?

Späth: Ich lege Nester an, um Störche auszuwildern und anzusiedeln. Ich montiere und warte Videoanlagen. Oder ich miste aus. Das habe ich die letzten zweieinhalb Monate gemacht: Rund vierzig Nester ausgemistet. Acht Stunden dauert das pro Nest.

SZ: Eine Schufterei.

Späth: Allerdings. Wissen Sie, der Kot ist nicht das Problem. Der klebt am Nestrand und hält es stabil. Schwierig sind die riesigen Mengen Gras und Graswurzeln. Gewaltige Komposthaufen entstehen da in der Höhe. Wenn man so ein Nest nicht ausmistet, bevor das Brüten beginnt, kracht es runter und schlägt das ganze Dach zusammen.

SZ: Sie sind ja ziemlich nah am Vogel. Haben Sie Angst vor der Vogelgrippe?

Späth: Kein bisschen. Ich bin sicher, dass Störche nicht daran erkranken. Der Storch ist ein Einzelvogel, der meistens allein auf der Wiese herumspaziert. Auch wenn sich in Südeuropa mal 1500 Störche auf einer Müllkippe sammeln, bleiben sie unter sich. Wie sollten sie sich anstecken?

SZ: Sehen das die Leute in Ihren Gemeinden auch so?

Späth: Einmal rief eine Frau an, die sich sorgte: Die Störche könnten ja im Flug in ihren Garten koten, sie selbst dann in den Kothaufen treten und sich infizieren. . . Verrückt, oder? Zum Glück freuen sich die meisten darüber, dass wir wieder Störche in unseren Gemeinden haben. Ein Storch ist einfach etwas ganz Besonderes. Ein majestätisches Tier, gut wie Christus.

SZ: Wie bitte?

Späth: Ich meine: Ein Storch kennt keine Gier, er ist friedlich und freundlich, freut sich des Lebens. Ein Reiher würde einer Maus, die in ein Loch verschwunden ist, ewig auflauern. Ein Storch geht einfach weiter. Wenn er satt ist, überlässt er Mäuse und Würmer den anderen. Er häuft nichts an, achtet andere Tiere, man kann eine Menge von ihm lernen. In seinen Liebesbeziehungen allerdings. . .

SZ: Ja?

Späth: Da ist alles möglich: Stunk, Treue, Treulosigkeit, alles. Es gibt die Störchin, die einen neuen Partner nach dem anderen anschleppt, und nach sechs Jahren zu ihrem ersten zurückkehrt. Es gibt den arroganten Storch, der seine Störchin aus dem Nest stößt. Es gibt den demütigen, dem jede Störchin weggeschnappt wird. Und leider gibt es auch diese arme verlassene Störchin, die täglich am Nest ihres Expartners auftaucht, weil sie sich nicht abfinden kann.

SZ: Woher wissen Sie das alles?

Späth: Weil ich die Tiere kenne. Ich habe die Videoaufnahmen und ein sehr gutes Fernglas, und manchmal setze ich mich ganz ruhig zu ihnen in die Höhe, baue eine gute Aura auf, gucke vorsichtig hin, gucke wieder weg, der Storch tut das Gleiche - schon ist eine richtige Freundschaft entstanden.

SZ: Und wenn so ein Storchenfreund fortzieht?

Späth: Dann freue ich mich. Ich verstehe das ja: Einfach losfliegen. Hoch hinauf. Etwas Schöneres gibt es doch gar nicht.

© SZ vom 4.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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