Internet:"Google Scholar"

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Wie funktioniert die Suchmaschine für wissenschaftliche Texte?

Von JOHAN SCHLOEMANN

Die Internet-Suchmaschine "Google" ist für viele Menschen mittlerweile ein Synonym für Informationsbeschaffung geworden ("Hast du das schon gegoogelt?").

(Foto: Foto: dpa)

Nun ist das amerikanische Unternehmen bemüht, immer mehr Spezialdienste anzubieten, um bei wachsender Konkurrenz seine Vormachtstellung zu halten. Dazu gehört der neue Dienst "Google Scholar", der dieser Tage in den USA gestartet wurde (http://scholar.google.com).

Zweck ist das Auffinden wissenschaftlicher Literatur in Fachzeitschriften, aber auch von Qualifikationsarbeiten, Büchern, Abstracts und Sonstigem "aus allen Bereichen der Forschung". Anders als auf der Google-Hauptseite sollen einschlägige Fachtexte aufgelistet werden, ohne dass alle sonstigen Internetseiten zum eingegebenen Thema mit angezeigt werden.

"Google Scholar" ist derzeit noch eine Beta-Version, also in einer Testphase vor der Marktreife. Die kommerzielle Absicht der neuen Plattform ist es gewiss, das akademische Publikum mit gezielten Werbe-Einblendungen zu erreichen, die in der jetzigen Fassung noch nicht zu sehen sind (wir rechnen schon mal mit Reklame für hochwertige Bücherregale, Italienreisen und Volvos).

Eine deutschsprachige Fassung gibt es noch nicht; sie soll nach Auskunft des deutschen Unternehmenssprechers erst nach einer ausgiebigen Testphase in den USA eingerichtet werden, wenn die Suche nach Fachartikeln "ein komplett rundes Produkt" geworden ist. Allerdings spuckt auch die amerikanische Fassung bereits deutsche und anderssprachige Aufsätze aus, was angesichts einer international agierender Forschung auch nur natürlich ist.

Wie funktioniert das neue Recherche-Mittel? Wenn es zum Thema einen im Internet frei zugänglichen Artikel gibt, kann man ihn in der Trefferliste anklicken und gleich, beispielsweise im pdf-Format, lesen und ausdrucken.

Wer "Aristotle" eintippt, erhält zuerst molekularbiologischen Artikel

In den anderen Fällen wird man in der Regel auf die Seite des kommerziellen Anbieters einer Fachzeitschrift oder eines Sammelwerks verwiesen, auf der man die bibliographischen Angaben und häufig auch eine Kurzzusammenfassung des Artikels lesen kann. Den ganzen Text gibt es dort dann nur gegen eine Einzelgebühr oder Registrierung als Abonnent.

Oder es werden ganze Bücher zum Thema angezeigt, mit einem Link zu amerikanischen Bibliothekskatalogen sowie zu Online-Buchhändlern. Dies passiert zum Beispiel seitenweise, wenn man "Richard Rorty" eingibt; erst auf der neunten Trefferseite folgen dann Spezialartikel.

Auch sonst kann man noch nicht von einem vollständig sinnvollen Angebot für die Forschungsarbeit sprechen. Wer "Aristotle" eintippt, erhält 49200 Treffer, jedoch zuerst eine Reihe von molekularbiologischen Artikeln, an denen der Wissenschaftler Aristotle N. Siakatos mitwirkte.

Bei "Psoriasis" werden tatsächlich zahlreiche Fachartikel angezeigt - aber nicht chronologisch sortiert. Ohne uns auszukennen, vermuten wir, dass der oben aufgeführte Artikel "Severe psoriasis - oral therapy with a new retinoid" aus der Zeitschrift "Dermatologica" von 1978 nicht der letzte Schrei in der Schuppenflechtenforschung sein dürfte.

Der erste einschlägige Aufsatz zu "Heidegger" ist 1995 im "Journal of Advanced Nursing" erschienen und heißt "Interpretive approaches in nursing research: the influence of Husserl and Heidegger". Nun ja, auch ein Thema - unsere Kenntnisse der phänomenologischen Strömungen in der Krankenpflegeforschung waren bislang sehr dürftig.

Zweischneidige Errungenschaft

Doch dies mögen Kinderkrankheiten sein. In jedem Fall fällt der Start von "Google Scholar" in eine Zeit, in der erbittert um die Zugänglichkeit wissenschaftlicher Texte gerungen wird. Bei der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes setzen sich die Verlage gerade dafür ein, Zeitschriften-Lieferdiensten der Bibliotheken wie "Subito" den Online-Versand zu verunmöglichen.

Auch der neue Google-Dienst ist für die Wissenschaftsverlage eine zweischneidige Errungenschaft. Zum einen könnte die Verlinkung auf online zu bezahlende Artikel zunehmen; andererseits wird auch das Auffinden von frei ins Netz gestellten Artikeln leichter.

Wer etwa "Elfriede Jelinek" eingibt, wird zu einem vollständigen Aufsatz zur Sprache des Romans "Gier" von Klaus Bayer geführt, der laut Instituts-Homepage erst 2005 in der Zeitschrift "Wirkendes Wort" des Wissenschaftlichen Verlags Trier erscheinen wird.

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