Indonesien:Regierung unterließ Tsunami-Warnung

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19 Minuten nach dem Seebeben vor Indonesiens Küste ging in Jakarta die Warnung vor einer möglichen Riesenwelle ein. Doch die Regierung informierte die Bevölkerung nicht. Nach einem zweiten Beben wird jetzt vor einem weiteren Tsunami gewarnt.

Einen Tag nach der Tsunami-Katastrophe hat die Regierung eingeräumt, die Bevölkerung nicht rechtzeitig gewarnt zu haben.

Angehörige identifizieren Opfer der Flutwelle. (Foto: Foto: AP)

45 Minuten vor dem Aufprall der Riesenwelle auf die Insel Java habe die Regierung zwei Tsunami-Warnungen erhalten, sagte Forschungsminister Kusmayanto Kadiman am Dienstag.

Diese Warnungen seien aber nicht veröffentlicht worden, weil man keine unnötige Panik habe auslösen wollen.

Vizepräsident Jusuf Kalla erklärte auf Anfrage von Journalisten, eine Warnung der Bevölkerung sei überflüssig gewesen, weil viele Menschen nach dem Beben der Stärke 7,7 ohnehin aus Angst ins Landesinnere geflüchtet seien. Es habe daher "eine Art natürliches Frühwarnsystem" gegeben.

Erst vor zwei Wochen hatten die Vereinten Nationen (UN) bekannt gegeben, ein neues Alarmsystem am Indischen Ozean sei in Betrieb gegangen. "Es hat rechtzeitig eine Warnung gegeben", betont Peter Koltermann, Leiter des zuständigen UN-Programms gegenüber der SZ. Zunächst hatte man geglaubt, diese Warnung habe viele Strandbesucher nicht erreicht.

Inzwischen ist klar, dass sie von den Behörden nicht weitergegeben worden ist.

Das schwere Seebeben ereignete sich nur 200 Kilometer vor der Küste Javas. Nach dem Beben ermittelten japanische Wissenschaftler, dass die Erschütterungen eine Riesenwelle ausgelöst haben könnten, die schnell die Strände erreichen würde.

19 Minuten nach dem Beben ging im indonesischen Warnzentrum in Jakarta, das erst vor vier Wochen in Betrieb genommen worden war, die Warnung der Japaner ein.

Pangandaran wurde bereits 1994 von einem Tsunami getroffen, der mehr als 3000 Menschen in den Tod riss. Der Ort gilt als Tsunami-Falle; vermutlich fokussieren Untermeergebirge die Wellen. In manchen indonesischen Städten müssten im Notfall Hunderttausende Menschen gleichzeitig auf Anhöhen gebracht werden.

Hoffnung auf deutsches Warnsystem

In Padang etwa leben die meisten Menschen in Tälern, die ein Tsunami verwüsten würde. Nur drei Straßen führen auf Anhöhen nahe der Stadt - und die sind schon an normalen Tagen verstopft. Eine Katastrophenübung im Dezember zeigte, dass bei einem Tsunami Tausende Menschen trotz Warnung umkommen würden.

Hoffnung setzen die Indonesier vor allem auf das Tsunami-Warnsystem, das deutsche Forscher bis 2008 eingerichtet haben wollen. Neu entwickelte Warnbojen sollen Riesenwellen, die auf hoher See nur zentimeterhoch sind, bereits Sekunden nach ihrer Entstehung erkennen.

Die Bojen sollen per "Delfinfunk", also über Schallwellen, mit den Erdbebensensoren am Meeresboden kommunizieren. Die Übertragung großer Datenmengen durch Tausende Meter tiefes Meerwasser via Schallwellen ist allerdings technisches Neuland - sie funktioniert noch nicht.

Umstrittene Warn-Methoden

Auch in anderen Ländern am Indischen Ozean ist weiterhin umstritten, wie alle Menschen binnen Minuten gewarnt werden könnten. Megaphone werden vielerorts abgelehnt, weil sie zu oft in Diktaturen missbraucht wurden und die Menschen den auf diese Weise verbreiteten Botschaften nicht trauen.

Zu viele SMS überfordern die Satelliten, und Hubschrauber erreichen nicht schnell genug abgelegene Strände. In Thailand wurden deshalb nach der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 nach japanischem und amerikanischem Vorbild vielerorts Sirenen installiert.

Ob andere Länder am Indischen Ozean besser vorbereitet gewesen wären als Indonesien, ist zweifelhaft, obwohl sie für Evakuierungen zum Teil viele Stunden Zeit gehabt hätten - so lange wäre die Welle bis an manche Küsten unterwegs gewesen. Ob Staaten wie Saudi-Arabien, Somalia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jemen eigenständige Tsunami-Warnsysteme aufbauen, ist unklar.

© SZ vom 19.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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