Illegaler Unterricht in Bremen:Die Undercover-Schule

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Statt in einer Grundschule haben renitente Eltern 14 Jahre lang Kinder in einer alten Villa unterrichten lassen. Die Väter und Mütter arbeiteten mit allerlei Tricks - und flogen durch einen Computerabgleich auf.

Der Geschichte, die in diesen Tagen im kleinsten deutschen Bundesland bekannt wurde, ist schwer zu fassen. In Zeiten des digitalen Datenaustausches und der wachsenden staatlichen Überwachung ist es einer Gruppe von Eltern gelungen, die Schulafsicht zu narren und eine illegale Grundschule zu betreiben - 14 Jahre lang.

Wie eine Sprecherin der Bremer Bildungsbehörde im Gespräch mit sueddeutsche.de bestätigte, schickten die Väter und Mütter aus dem Alternativmilieu im Laufe der Jahre 200 Kinder in die Undercover-Einrichtung, welche in der alten Villla am Körnerwall 6 untergebracht war.

"Täuschen und Tricksen"

Eine von den Eltern bezahlte Lehrerin habe die Kinder unterrichtet, die Anzahl soll bei 20 und zuletzt bei acht gelegen haben.

Die Zwergschule war demnach an eine legal betriebene Kindertagesstätte namens Picobello angegliedert. Dass sie solange unbehelligt blieb, erklärte die Sprecherin unter anderem mit "Täuschen und Tricksen" der Eltern.

Diese hätten zum Beispiel behauptet, verzogen zu sein oder ihre Kinder in einer niedersächsischen Privatschule angemeldet zu haben. Es gab Stimmen in der Bildungsbehörde, die darauf von "krimineller Energie" sprachen.

Wenn die Kinder älter waren, meldete man sie auf weiterführenden Schulen an - mit gefälschten Zeugnissen. Nach Auffassung von Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper "sind wir von dem Verein 14 Jahre lang betrogen worden".

Hinzu seien mangelhafte Prüfmöglichkeiten gekommen. Erst im vergangenen Jahr habe ein Computerprogramm den Abgleich von Melde- und Schülerdaten möglich gemacht. Dabei sei aufgefallen, dass einige in Bremen gemeldete schulpflichtige Kinder in keiner zugelassenen Schule angemeldet waren.

Die Bildungsbehörde habe dann gemeinsam mit den Eltern Lösungen gesucht - durch eine Mediation. "Die Eltern mussten dabei offen legen, mit welchen Tricks sie gearbeitet hatten." Im Interesse der Kinder habe man von ernsten Konsequenzen abgesehen. Die Eltern kamen glimpflich davon - mit Bußgeldern von je 200 Euro, die sie an soziale Einrichtungen zahlen mussten.

Verein wollte selbst organisiertes Lernen

Dass der Fall öffentlich bekannt wurde, liegt an dem Trägerverein der Schule. Er will nach der Schließung der alten eine neue Schule gründen. Weil die Bildungsbehörde dafür keinen Bedarf sieht und die Genehmigung verweigerte, mobilisierte der Verein die Presse und zog vor Gericht.

Die Eltern wollen die Schule, "weil wir Probleme mit den Konzepten der Regelschulen und der Bildungspolitik haben", sagt Vereinsmitglied Gustav Schmidt. Man wolle eine vielfältige Pädagogik, freies und selbst organisiertes Lernen, das zudem gruppen- und altersübergreifend sei. Der Verein sei nicht der Meinung der Behörde, wonach auch staatliche Schulen solche Konzepte verfolgen.

Es sei weithin bekannt gewesen, dass die Schule ohne Genehmigung gearbeitet habe. Trotzdem sei Eltern zum Beispiel von Kindertagesstätten der Besuch empfohlen worden.

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