Humor, nie mehrheitsfähig:Dirty Harry

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Von Martin Zips

Man könnte es sich jetzt leicht machen und sagen: So lustig war Schmidt zuletzt ja auch nicht mehr. Immer nur kindische Publikumsspiele. Immer nur Manuel, Helmut, Nathalie, Suzana, Sven. Beim Einkaufen, auf dem Spielplatz, beim Kartenspiel. Immer dieselben Prominenten.

Dass nach sieben Jahren Arbeit ein Sabbatjahr gut tut, steht schon in der Bibel. Bei der Harald-Schmidt-Show hatte man in der vergangenen Woche den achten Geburtstag gefeiert. Irgendwie konsequent also, dass Schmidt nun den Lafontaine macht.

Doch egal, ob er nun aus Sorge über die Verschweizerung seines Senders eine Kreativitätspause einlegt, ob er aus finanzieller Sättigung oder persönlicher Müdigkeit geht - das deutsche Fernsehen wird fortan nicht mehr so sein, wie es mit dem Nürtinger war.

Acht Jahre Harald-Schmidt-Show - so traf sich über die Jahre eine feste, übersichtliche Fan-Gemeinde. Für viele gehörte Schmidt zum Tag wie Uli Wickert oder die Munddusche. Nach und nach wurden Bimmel und Bommel adoptiert, die dicken Kinder von Landau, Frau Asenbaum, Li und Wang und Dr. Brömme.

Wenn sie plötzlich nicht mehr auftauchten, so war das schmidtunter sehr traurig.

Lange nannte man ihn einen "Dirty Harry". Zu Recht. Vor acht Jahren trieb er Bettina Böttinger durch einen Kloschüssel-Vergleich aus der Show, später verscherzte er es sich nicht nur beim polnischen Nachbarn und brachte auch Hera Lind, Susan Stahnke oder den Deutschen Fußballbund gegen sich auf.

Hatte man sich gerade an eine neue Frechheit vom Powerranger deutscher Late-Night-Kultur gewöhnt, hatte man die Sat1-Schimmelwochen, den Nazi-Pansen, Super-Dad, Horst, Kai Edel und den gelegentlich als Michael Jackson durchs Studio fliegenden Fadda Theresa gefressen, so warf Schmidt neue Zutaten ins Förmchen.

Nur nicht ausruhen. Immer im Gespräch bleiben.

Phoenix auf Sat1

Das Fernsehen erfand er täglich neu. Auf dem Höhepunkt der Spaßgesellschaft entzückte Schmidt mit Langsamkeit und Reduktion.

Mal sendete er minutenlang Schwarzbild, dann starrte er auf Schnecken oder Kreisel, stellte mit Playmobil-Figuren die Odyssee nach. So trieb er den "Bitte bleiben sie dran!"-Gedanken des privaten Fernsehens ad absurdum. Schmidt machte BR-Alpha, Arte, 3sat und Phoenix. Und immer machte er es auf Sat1.

Im Dienstwagen schaute er auf dem EU-Gipfel vorbei, flüchtete vor musizierenden Indios durch die Kölner Innenstadt, trat die Kirchenorgel, verschenkte auf dem Höhepunkt der BSE-Krise massenweise Frischfleisch ans Publikum.

Besonders wenn er - im Studio, am Telefon, in Köln - mit ganz gewöhnlichen Menschen sprach, war er lettermanmäßig gut. Die dreistündige Geisterfahrt auf dem Rhein vergessen wir mal. Schmidts Humor war nie mehrheitsfähig und damit ohnehin frühabenduntauglich.

Was seine derzeitige Akzeptanz unter Kritikern, Literaten, Künstlern und anderen Wimpernzupfern angeht, so verschwindet der Late-Night-Mann auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Auch was die Zuschauerzahlen betrifft, die in diesem Jahr mit durchschnittlich 1,35 Millionen um einiges höher lagen als 1996 (1,07 Millionen). Selbst, was die Zahl der ihm verliehenen Ehrungen und angedienten Werbeverträge angeht, konnte es für ihn nicht besser kommen. Die Sättigung war erreicht.

Im Gegenzug fehlten neue Ideen. Andererseits: Daran hätte man doch arbeiten können, bei so einem großen Team. Harald Schmidt geht. Wann auch immer er zurückkehrt: Einer, der sich so wenig dem Massendiktat unterordnete wie er, einer, der mit so präzisen politischen Pointen seinem Publikum am Bettrand die Welt erklärte - er wird fehlen.

© SZ vom 9.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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