Hochzeit als Hindernislauf:Das lange Warten auf ein Ja

Der lange Marsch über die Hürden der Bürokratie - warum ein Chilene und eine Deutsche zum Heiraten nach Dänemark fahren.

Von Jost Maurin

Stege, im Mai - Leonie von Watzdorfs Bauch ist so groß, dass er kaum noch unter das Hemd passt. In zwei Wochen wird sie einen Sohn zur Welt bringen.

Hochzeitsringe

Trotzdem zwängt sich die zierliche 34-Jährige an diesem Morgen in ihren voll beladenen Volvo, setzt ihren zwei Jahre alten Sohn Samuel in seinen Kindersitz, muss den Sicherheitsgurt weit aus der Rolle ziehen, um sich anzuschnallen, und bricht zu einer stundenlangen Reise Richtung Dänemark auf.

Warum? "Wir flüchten vor der deutschen Bürokratie", sagt der Lebensgefährte der Berlinerin, der 48 Jahre alte Fotograf Marcelo Lagos, als er auf die Autobahn zur Ostsee fährt. "Dabei wollen wir nur heiraten."

Marcelo Lagos kommt aus Chile. Das ist sein Problem. Chilenen und Bürger der meisten anderen Staaten können sich in Deutschland nicht einfach innerhalb von wenigen Tagen trauen lassen.

Denn die Behörden prüfen erst einmal monate-, oft jahrelang, ob die Heirat auch im Heimatland legal wäre, ob die Papiere deutschen Normen entsprechen und sich die Partner auch wirklich lieben.

Marcelo Lagos und Leonie von Watzdorf haben fast sechs Monate gewartet. Dann haben sie die Geduld verloren und sich entschlossen, nach Dänemark zu fahren.

Denn dort erklären die Gemeindeverwaltungen Heiratsflüchtlinge aus aller Welt innerhalb von wenigen Tagen zu Mann und Frau. Darunter auch jedes Jahr einige tausend Paare aus Deutschland.

"Eine Zumutung"

Doch der Weg zum Standesamt ist weit. Das Paar wohnt in Berlin und heiratet im 450 Kilometer entfernten Stege auf der Ostsee-Insel Møn. Eine Autofähre bringt sie von Deutschland nach Dänemark. Als sie ablegt, sitzen die beiden in der Caféteria auf dem Oberdeck.

Der kleine Samuel läuft vor den meterhohen Fensterscheiben hin und her, an den Tischen vertilgen Lastwagen-Fahrer Currywurst mit Pommes. Marcelo Lagos nippt an seinem Kaffee und sagt: "Was die deutschen Behörden von uns verlangt haben, ist eine Zumutung."

Jeder Beamte im Standesamt habe ein anderes Papier für die Eheschließung gefordert.

Der Chilene hatte schon 1979 in Stuttgart geheiratet und sich dort vier Jahre später scheiden lassen. Das wurde in Chile nie registriert, denn dort regierte der Diktator Augusto Pinochet, dessen Regime den politischen Flüchtling Lagos ausbürgerte.

"Die ganze Welt kennt diese Geschichte, aber die deutschen Beamten nicht", sagt Lagos. Sie hätten von ihm gefordert, vor der Heirat mit Watzdorf seine erste deutsche Ehe und die Scheidung in Chile anerkennen zu lassen.

Dabei hatte das südamerikanische Land damals gar kein Scheidungsrecht.

Kaum erfüllbar war beispielsweise auch die Bedingung des Berliner Kammergerichts, dass Iraker gültige Reisepässe vorlegen müssten.

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