Hinweise auf einen zweiten Täter beim Kennedy-Attentat:Neue Indizien aus Dallas

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Der Mord hat an US-Präsident John F. Kennedy vor mehr als 40 Jahren wirft bis heute Fragen auf. Wissenschaftler haben neue Erkenntnisse und wollen, dass der Fall neu aufgerollt wird.

Hanno Charisius

Ihre Analyse von Munitionsfragmenten hat ergeben, dass die Splitter, die in der Leiche des Präsidenten und im näheren Umfeld gefunden worden waren, nicht zweifelsfrei aus einer einzigen Waffe stammen.

Sollten sie Recht behalten, müsste es noch einen zweiten Schützen gegeben haben. Das könnte man auch als Hinweis auf ein Mordkomplott auslegen, wie es noch heute die Mehrheit der Amerikaner hinter dem Anschlag vom 22. November 1963 vermutet.

Die Untersuchung habe ergeben, dass die am Tatort gefundenen fünf Munitionsfragmente von "drei oder mehr" unterschiedlichen Kugeln stammen könnten, formulieren die Forscher vorsichtig in ihrer Studie, die im Fachjournal Annals of Applied Statistics (online) erschienen ist.

Bislang drei Schüsse vermutet

Bislang war man von drei Schüssen des Attentäters Lee Harvey Oswald ausgegangen. Zwei trafen, ein dritter verfehlte den Präsidenten. Sämtliche Splitter in Kennedys Leiche hatte man mit den damaligen Methoden als Bestandteile zweier Kugeln identifiziert.

Die Wissenschaftler setzten nun neue forensische Methoden ein, die sowohl moderne chemische Analyseverfahren als auch Werkzeuge aus dem Bereich der Statistik nutzen.

Ihre Ergebnisse zeigen, so folgern die Forscher, dass die von den damaligen Experten angeführten Belege, wonach die Beteiligung eines zweiten Attentäters ausscheide, den Tatsachen nicht standhalten können.

Der Schluss, Oswald sei der einzige Schütze gewesen, beruhe auf grundsätzlich falschen Annahmen über die Unverwechselbarkeit einer abgeschossenen Gewehrkugel.

"Wenn die Splitter von drei oder mehr verschiedenen Kugeln stammen, dann ist die Beteiligung eines zweiten Schützen wahrscheinlich, weil eine weitere Kugel nicht dem Hauptverdächtigen Oswald zugeschrieben werden kann", schreiben die Autoren. An dem Fenster, von dem aus er auf Kennedy geschossen hatte, fand die Polizei nämlich nur drei leere Patronenhülsen - von denen eine Kugel das Ziel verfehlte.

Noch bevor Anklage gegen ihn erhoben werden konnte, wurde Oswald zwei Tage nach dem Attentat in Polizeigewahrsam von einem Nachtclubbesitzer erschossen.

An der Untersuchung war auch der Forensiker William Tobin beteiligt. Er war früher Leiter eines ballistischen Labors der amerikanischen Bundespolizei FBI und wurde in die Ermittlungen zur Aufklärung zahlreicher spektakulärer Anschläge eingeschaltet, beispielsweise des Sprengstoffattentats in Oklahoma City 1995.

Bisherige chemische Analyse wurde verworfen

Nach seiner Pensionierung hatte Tobin durch zahlreiche Studien nachgewiesen, dass die vom FBI jahrzehntelang praktizierte Beweisfindung durch chemische Analyse von Geschossen eine hohe Fehlerquote aufweisen kann. Seit 2003 verzichtet das FBI deshalb auf diese Methode.

Das Team hatte antiquarische Patronen aus derselben Produktionsreihe wie diejenigen, die Oswald verwendet hatte, untersucht und dabei festgestellt, dass sie sich kaum voneinander unterscheiden lassen. Ballistiker gingen bislang davon aus, dass eine abgeschossene Kugel unverwechselbare Spuren trägt und eindeutig der Waffe zugeordnet werden kann, mit der sie abgeschossen wurde.

Ihre chemische Analysemethode konnten sie allerdings noch nicht bei den fünf Splittern anwenden, die John F. Kennedy getötet haben: Durch das Verfahren würden unwiederbringlich alle Spuren darauf gelöscht werden.

Wenn es einmal Zweifel an der Methode geben sollte, könnten sie kaum überprüft werden. Ihre Argumentation stützt sich auf die Daten, die Chemiker damals kurz nach dem Attentat erhoben haben.

In ihrem Bericht schreiben die Forscher daher nicht explizit, dass es einen zweiten Täter gegeben haben muss; die Möglichkeit eines zweiten Schützen, der Kennedy getroffen habe, sei allerdings nicht mehr auszuschließen. Deshalb sei es nun wissenschaftlich geboten, die fünf Kugelfragmente erneut untersuchen zu lassen.

© SZ vom 22.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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