Hindu-Gebetshaus in Hannover:Ein Tempel Buntes

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Ikea-Lampen, Bananen und heiliges Wasser - warum die Eröffnung eines Gebetshauses in Hannover für die Hindus ein ganz großes Ereignis ist.

Maurice Wojach

Der Stadtteil Badenstedt eignet sich eigentlich nicht als spiritueller Pilgerort. Hier, im ehemaligen Arbeiterviertel am Rande der Stadt, finden sich vor allem Lagerhallen und Verwaltungsgebäude. Ab und zu fährt ein Lastwagen vorbei, der Baustoffe abholt. Und doch steht hier seit wenigen Tagen der größte hinduistische Tempel Norddeutschlands.

Schöne bunte Götterwelt: Hindu-Gläubige feiern die Einweihung ihres neuen Tempels in Hannover. (Foto: Foto: ddp)

Durch den etwa 140 Quadratmeter großen Zweckbau drängeln sich Pilger aus Deutschland und vielen anderen Ländern. Vorbei an bunten Heiligenschreinen und an der Statue des Elefantengottes Ganesha; vor dem Tempelraum, der für 150 Menschen vorgesehen ist, stapeln sich die Schuhe. Mehr als eintausend Besucher sind am Eröffnungstag zur Hauptzeremonie gekommen.

Zwar sind Hindus recht frei in ihrer Götterwahl und in ihrem Glauben - eins steht aber für alle fest: "Jeder Hindu muss so eine Eröffnungszeremonie ein oder zwei Mal im Leben mitmachen", erklärt der Medizinstudent Pirathib Vasanthakumar. Er sagt, eine Tempeleröffnung bringe so viel Segen wie mehrere Jahre beten zusammen.

Bereits einige Tage zuvor hat der Gemeindepriester Shanmuga Srikumar zusammen mit seinen Kollegen aus Kanada und Dänemark begonnen, dem Neubauklotz spirituelle Bedeutung zu verleihen. Eine harte Arbeit: Die Wände hinter den verzierten Schreinen aus Zement sind in schlichtem Gelb gestrichen. Von der Decke hängen Lampen, deren Namen man vom Ikea-Kauf kennt. Daneben baumelt ein Stromanschluss frei in der Luft. Gegen die Kargheit des Raumes soll allerlei Segnungszubehör helfen.

Tropische Pflanzenextrakte wurden aus Indien eingeflogen, nach ihnen riecht bei der Feuerweihe der ganze Saal. Die meisten der Pilger zahlen noch extra 21 Euro - dafür dürfen sie die Statuen ihrer Götter mit Sesamöl einreiben. Der Boden ist belegt mit Bananen, Ölflaschen und verzierten Kokosnüssen, die sich später als göttliche Figuren herausstellen. Und zwischen all den Zeremonien finden sich immer wieder trommelnde Männer und eine Elite von barbrüstigen Priestern ein, die mit heiligem Wasser aus indischen Flüssen den Tempelraum segnen.

Vom Freizeitheim zum Fabrikraum

Unter den 300 Hindus in Hannover sind vor allem Tamilen, die meisten sind in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen. Dazu kommen noch einige Inder. Wie viele Hindus es in Deutschland gibt, das weiß niemand so genau. Ihre Gottesdienste, die Pujas, feiern sie meist in Kellerräumen oder umgebauten Fabrikhallen.

Der Hindu-Kulturverein in Hannover hat viele Jahre gebraucht, um einen Weg aus den Provisorien zu finden: Seit 1994 trafen sie sich erst in der Gebetsecke eines Freizeitheims, später in einem Fabrikraum. Vor etwa zwei Jahren dann waren genügend Spenden eingesammelt, insgesamt 300.000 Euro sind es bis jetzt. Die Stadt Hannover bot den Hindus einen Platz, an dem es kaum zu Ärger mit Anwohnern kommen kann. Es gibt nämlich keine. Dem Priester Srikumar ist die Ödnis um den Tempel herum egal: "Für uns ist das in Ordnung, denn die Lage gibt uns Freiheit". Außerdem brauche ein Hindu Distanz, um zum Tempel zu pilgern. Zur nächsten Straßenbahn seien es immerhin gut 800 Meter.

Auf der ganzen Welt leben fast eine Milliarde Hindus. Sie alle sind so uneinheitlich wie ihre Religion. Nur der Glaube an Reinkarnation und astronomische Vorbestimmung lassen sich als kleinste gemeinsame Nenner ausmachen. "Uns verbindet letztlich die Suche nach dem Sinn des Lebens", sagt der 23-jährige Vasanthakumar.

Er spricht perfekt deutsch und zeigt den vielen neugierigen Nicht-Hindus die Statuen. Dann bleibt er bei den Planetenfiguren stehen. Auch er habe sich aus dem Hinduismus eine eigene Weltanschauung geschaffen und wäre vor allem bei der Planetenlehre hängen geblieben. Mit ihr könne man fast alles erklären, selbst komplexe Dinge wie die Finanzkrise: "Seit einger Zeit ist der Jupiter verdeckt und kann nicht wirken. Bei uns Hindus gilt er als Planet des Geldes."

Deutsche Konvertiten gibt es in Hannover nicht - mit einer Ausnahme. Lothar Knabe, vor gut zehn Jahren nahm er den Hindu-Namen Arjuna an. Er hat sichtlich Freude an der Zeremonie. Ab und zu reckt er die gefalteten Hände in die Luft. Reden will der kurzgeschorene Mann im Gewand darüber nur kurz: "Mit meiner Idee von der Wiedergeburt stand ich bei den anderen Religionen ziemlich im Regen."

© SZ vom 24.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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