Herbert Grönemeyer:Der deutsche Bono

Lesezeit: 3 min

Das "Mitleidgeheische" der Politiker in Deutschland kann der Sänger nur noch schwer ertragen - und erhebt seine Stimme gegen Schröders Entwicklungspolitik.

Von Robert Roßmann

"Ja, guten Tag alle miteinander. Ich sehe uns Künstler als Trommler für die gute Sache. Ich war viel in Afrika, habe eine große Trommel - und singen kann ich auch. Deshalb sitze ich jetzt hier." Es war der ungewöhnliche Beginn einer ungewöhnlichen Veranstaltung, gestern in der Bundespressekonferenz.

Im Auditorium saßen fast nur Redakteurinnen, normalerweise dominieren männliche Kollegen den Raum. 20 Fotografen knipsten ohne Unterlass. Und am Ende wollten einige Journalisten sogar Autogramme von ihrem Gast ("für Jonas und Maria").

Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer hatte sich in die Bundespressekonferenz eingeladen, um eine internationale Kampagne gegen die Armut vorzustellen. Und statt der üblichen Gehen-Sie-davon-aus-dass-das-seine-Richtigkeit-hat-Erklärungen der Ministeriumssprecher gab es viele klare Ansagen.

"Gerhard, Du kannst das!"

"Ich habe halt eine große Klappe", sagte Grönemeyer - und attackierte gleich die Bundesregierung. "Wir in Deutschland sind so schlecht drauf, bei uns gibt's keine Entwicklungshilfe zu holen" - dieses Mitleidgeheische könne er nur noch schwer ertragen.

Die Hilfsbereitschaft nach dem Tsunami habe gezeigt, dass die Bürger hier weiter als die Politiker seien. Um Bundeskanzler Gerhard Schröder auf die Sprünge zu helfen, startete der Musiker jetzt zusammen mit hundert Entwicklungshilfe-Organisationen die Kampagne "Deine Stimme gegen Armut".

Damit soll die Regierung dazu gebracht werden, die so genannten Millenniumsziele einzuhalten. Auf dem "Millenniumsgipfel" der Vereinten Nationen hatten die Industriestaaten im Jahr 2000 die Halbierung der Armut bis 2015 vereinbart. Außerdem versprachen sie, für saubereres Trinkwasser, bessere Bildungschancen und mehr Umweltschutz in der Dritten Welt zu sorgen.

Bei der Vorstellung eines Zwischenberichts Ende Januar hatten die Vereinten Nationen erklärt, der Plan könne nur noch dann rechtzeitig durchgesetzt werden, wenn die Industriestaaten tatsächlich bis 2015 die zugesagten 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe bereitstellten.

Deutschland zahlt zurzeit 0,28 Prozent. Für 2006 sind 0,33 Prozent geplant. "Fünf Jahre sind seit dem Millenniumsgipfel vergangen. Die bisherigen Fortschritte sind aber völlig unzureichend", klagte denn auch der Vorsitzende des Verbandes Entwicklungspolitik (Venro), Reinhard Hermle.

Man sei deshalb schon froh, wenn Deutschland in Zukunft wenigstens einhalte, was es versprochen habe.

Im Venro haben sich hundert Organisationen von der "action medeor" bis zur "Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe" zusammengeschlossen.

"Diese Stärke wollen wir jetzt nutzen", sagte Hermle. 2005 gebe es zwei wichtige Ereignisse, bei denen die Staatschefs beweisen könnten, wie ernst es ihnen sei: Der G-8-Gipfel im Juli und die UN-Konferenz im September.

"Deshalb machen wir den Staatschefs jetzt bis September mit unserer Kampagne Druck", sagte Grönemeyer. "Es kann doch wohl nicht sein, dass die Deutschen versuchen, sich da wieder mit einem Wust von nichts rauszuschleichen."

50.000 Menschen verhungern täglich

Schröder müsse den britischen Vorschlag einer Schuldenanleihe für die Dritte Welt unterstützen. Diese könnte mit den Einnahmen einer Kerosinsteuer, einer Abgabe auf Flugtickets oder einer Steuer auf Devisentransaktionen finanziert werden. "Gerhard, Du kannst das!", sagte Grönemeyer. Der Kanzler müsse nur endlich den Mut aufbringen, den er beim Irak-Krieg bewiesen habe. Hier gehe es schließlich um 50.000 verhungerte Menschen täglich.

Um die Bundesregierung zu überzeugen, wollen die Organisatoren jeweils eine Woche vor den beiden Großereignissen zu "White Band Days" aufrufen. Ein weißes Band am Handgelenk soll das internationale Symbol der Kampagne werden. Grönemeyer will sogar um das Brandenburger Tor ein weißes Band wickeln lassen.

In 60 anderen Ländern ist Ähnliches geplant. Entsprechend international ist der gemeinsame Kino- und Fernsehspot geraten. Darin treten neben Grönemeyer, Claudia Schiffer und Anne Will auch Brad Pitt, George Clooney, Cameron Diaz, Kylie Minogue, Justin Timberlake und Bono auf. Bono, der Sänger von U2, kämpft schon seit vielen Jahren für die Belange der Dritten Welt.

Und Bono war es auch, der Grönemeyer fragte, ob er Frontmann der deutschen Kampagne werden wolle. Jetzt schnipsen die beiden gemeinsam mit den anderen Prominenten in dem Kinospot alle drei Sekunden mit den Fingern - alle drei Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an Hunger. Und dann fordern sie die Zuschauer auf, an ihre Regierungschefs zu schreiben: "Jetzt! Deine Stimme gegen die Armut."

© SZ vom 1.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: