Heesters-Urteil:Gespenstischer Rückblick

Ob Johannes Heesters im Jahr 1941 vor der SS-Wachmannschaft einen Auftritt hatte, bleibt trotz Urteil ungeklärt. Wie schwer er an der Schuld trägt, weiß nur der Schauspieler selbst.

Wolfgang Roth

Für die Nachgeborenen ist es eine gespenstische Vorstellung: Das Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheaters geht nicht ins Maxim, sondern auf Promenade im Konzentrationslager Dachau. Ob Johannes Heesters damals im Jahr 1941 vor der SS-Wachmannschaft auch noch einen seiner operettenhaften Auftritte hingelegt hat, bleibt ungeklärt, ist aber weder für das Geschichtsbild der Deutschen noch für die charakterliche Bewertung des Künstlers von Belang.

Johannes Heesters: Ein Urteil, aber keine neuen charakterlichen Erkenntnisse. (Foto: Foto: Reuters)

Wem danach ist, der darf es nach der Entscheidung des Berliner Landgerichts weiterhin behaupten. Heesters kann es - seiner Ehre wegen - weiterhin beharrlich bestreiten.

An dem Urteil ist nichts auszusetzen, weil der Vorwurf keineswegs aus der Luft gegriffen war. Im Übrigen führt es aber auch nicht zu tiefschürfenden neuen Erkenntnissen über Heesters' Lebensweg, wenn er im KZ tatsächlich einen schmissigen Auftritt gehabt hätte. Er hat sich wie viele Künstler im Nationalsozialismus eingerichtet, was damals nicht nur bedeutet hat, sich mehr oder weniger mit den Machthabern zu arrangieren, sondern auch, sich im Einklang mit der großen Mehrheit der Deutschen zu fühlen. Manche trugen schwer an dieser Schuld, viele waren sich nachher keiner Schuld bewusst. Der in den Niederlanden geborene Heesters muss mit sich selber und vielleicht mit einer höheren Instanz ausmachen, wie er es halten will.

Was von ihm zu halten ist, kann auch jeder für sich entscheiden, ganz ohne die Hilfe von Medienleuten, die einen 105-jährigen Mann nach Adolf Hitler befragen. Was bleibt, ist der gespenstische Rückblick auf massenhaftes Morden, während auf der Bühne die "Lustige Witwe" zur Aufführung kam.

© SZ vom 17.12.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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