Haustiere:Es geht uns gut

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Wau-Wau-Wellness: Der Trend zur Dienstleistung am Hund lässt sehr erheblich am Menschenverstand zweifeln.

von Christian Kortmann

Wenn Hunde lesen könnten, dann hätten sie am Münchner Isarufer kaum noch Zeit, sich gegenseitig zwischen den Beinen zu herumzuschnüffeln. Denn an zahlreichen Baumstämmen und Laternenmasten hängen Zettel mit Freizeitangeboten, wie man sie sonst nur vom schwarzen Brett in der Universität kennt.

"Die Zeiten langweiliger Hundemode sind vorbei!" - kraulen tut's auch... (Foto: Foto: dpa)

Da werden Hunde gesucht, die sich "freiwillig therapeutisch massieren" lassen wollen, "kostenlos, von einer therapeutischen Hundemasseurin in Ausbildung".

Sportlich ambitioniertere Tiere dürfen sich für "Hundebergwanderungen" entscheiden, "maximal vierstündig, in Vierergruppen". Ein vorbeifahrender Kleinwagen preist "Wow!Wow!-Dogfashion" und die "stylischsten Hundeaccessoires" an.

Sportbody mit Strass und Nieten

www.wwdf.de: diese Internetadresse kann sich unser Hund gerade noch merken, dann läuft er nach Hause und wirft den Laptop an. "Die Zeiten langweiliger Hundemode sind vorbei!", liest er auf der Dogfashion-Homepage und bestellt sofort einen Sportbody mit Strass und Nieten.

Und beim Outdoor-Händler Globetrotter ordert er gleich noch den 18-Liter-Hunderucksack für 34,95 Euro, denn Bürste, Kauknochen und ein, zwei Dosen Chappi müssen schon mit auf Tour. Summa summarum ist es also so, dass der Hund heutzutage angehalten wird, mindestens so viel Aufwand bei der Organisation seiner Freizeit zu betreiben wie ein Mensch.

Die Spaßgesellschaft, in der jener Mensch angeblich seit vielen Jahren lebt, war immer eine Fiktion, und nur die wenigsten schienen sich an dem paradoxen Befund zu stören, dass ausgerechnet im materiellen Überfluss immer mehr Menschen zu Depressionen neigen.

Wo nun fast alle Möglichkeiten, banale Alltagsvorgänge zu Events hochzujazzen, ausgeschöpft sind - von Cluburlaub über Erlebnisgastronomie bis hin zum verfeinerten Mineralwasser -, gerät stellvertretend für das Ausbleiben des eigenen Glücks verstärkt das Wohlbefinden des Haustiers in den Blick: Die Eventkultur und die Spaßgesellschaft, die den Menschen nicht weiterhalfen, sollen nun die Hunde nun für sich entdecken.

Deshalb wird das Angebot an so genannter Doggy-Wellness immer größer. So kann man nördlich von Berlin in der Beauty & Relax Villa am großen Labussee logieren.

Burbery-Mantel für den Mops (Foto: Foto: dpa)

Die Hotelwerbung verspricht "Bademöglichkeiten auch für Ihren Hund", und weiter: "Während Ihr Hund in unserem Doggy Pavillon intensiv behandelt wird, können Sie sich von unserem qualifizierten Beauty & Wellness Team verwöhnen lassen."

Hier werden also Frauchen und Hündchen rundum versorgt: "Ja, auch Ihr Hund wird die Behandlung genießen, entspannen und sich nachher fitter und wohler fühlen. Probieren Sie es einfach aus."

Man kann den Hund auch alleine im "Pfotenland" in Ihlienworth bei Bremerhaven einmieten, dessen Wellness-Programm echte Doggy-Essentials enthält, also das "Bürsten des Fells" und "eine selbstgekochte vollwertige Hundemahlzeit".

Aber vor allem hat der Hund hier die Möglichkeit, "sich mit Gleichgesinnten zu treffen und Erfahrungen auszutauschen". Und sportlicher "Spielspaß für erwachsene Hunde" wird bei Agility und Flyball geboten.

Je mehr Gutes ich meinem Haustier angedeihen lasse, desto besser geht es auch mir, sagt sich der Mensch.

Hunde-Reflexzonenmassage statt Kraulen

In der Praxis wird dieses Prinzip von dem Glauben beseelt, dass man eine Sache erst dann richtig macht, wenn man sich ausgiebig wissenschaftlich mit ihr beschäftigt hat.

Früher wurde der Hund einfach gekrault, heute belegt man für 1000 Euro einen Lehrgang für Hunde-Reflexzonenmassage in der Pfalz. Wenn das Tier besondere anatomische Vorlieben hat, kann man sich aber auch auf Ohrreflexzonen- oder Pfotenreflexzonenmassage spezialisieren.

Das Hauptargument der Befürworter professioneller Streicheleinheiten besteht darin, dass der Hund unter den gleichen Zivilisationskrankheiten leide wie sein menschlicher Begleiter. Eine Doggy-Wellness-Homepage zählt zu den "vielfältigen Belastungen des Stadthundes" unter anderem die "stressigen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln".

Klar, das stickige U-Bahn-Klima kann einen nerven. Aber wer hätte gedacht, dass es auch den lässig vor der Sitzbank liegenden Rüden belastet, der hinter seinen langsam sich hebenden Lidern abschätzig taxierende Blicke wirft?

Auch die Qualität des Hundefutters lässt zu wünschen übrig, und dann noch die Launen von Herrchen und Frauchen! Es gilt also, alle Wellness-Methoden von Stretching über Thermalwasserbehandlungen bis zu Lymphdrainigen und Ultraschallmassagen aufzufahren.

Auch der gestresste Großstadthund, der gar nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht, will schließlich ab und zu "die Seele baumeln lassen".

Wir haben es hier mit einem Übertragungsphänomen zu tun: Die Empathie des Menschen zu seinem treuesten Freund führt dazu, dass er diesem die eigenen Beschwerden unterstellt, und oft hat er sie dem Tier ja durch nicht artgerechte Haltung selbst eingebrockt.

In einem Internetforum für Hunde in Berlin liest man von speziellen Wohlfühlprogrammen zur Übergewichtsbekämpfung bei zwangsweise stubenhockenden Großstadthaustieren.

Wie beim wohlbeleibten Menschen, dem eine Änderung seiner Lebensgewohnheiten zu strapaziös ist, wirken auch hier die Verheißungen der Pharmaindustrie. Es werden also die vom Bayer-Konzern "speziell für Hunde bzw. Katzen entwickelten Kautabletten VivoPond" zur Unterstützung der "Wellness- und Schlankheitskur" empfohlen.

Vielfliegerprogramm für Haustiere

Als Kompensation für die Beschädigungen durch das moderne Leben gesteht der Mensch dem Haustier den üppigsten Luxus zu, weshalb die Fluggesellschaft Virgin Atlantic ein Vielfliegerprogramm für Haustiere anbietet.

Ist es oft genug unterwegs, kann sich das an "Flying Paws" (Fliegende Pfoten) teilnehmende Tier - Hunde, Katzen und Frettchen sind laut Virgin die häufigsten Fluggäste - Prämien wie T-Shirts, handgemachte Fressnäpfe, eine Pfotenpediküre oder ein Burberry-Mäntelchen erfliegen oder aber seine Bonusmeilen an seinen Besitzer, der längst zum Lebenspartner geworden ist, übertragen.

Als Krönung gibt es für den vierbeinigen Kosmopoliten ein "Pawtrait" der Künstlerin Cindy Lass, die sich darauf spezialisiert hat, in naivem Stil die Hunde von Prominenten zu malen. Die Typenbezeichnung Jet-Setter bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

Generell fällt auf, dass im menschgemachten Hunde-Lifestyle die Grenze zwischen den Arten zunehmend verschwimmt. So wird etwa das bunte, um den Hals geknotete Tuch mittlerweile eher dem Golden Retriever als dem Menschen zugeordnet.

Diesen auf breiter Basis vermenschlichenden Umgang mit dem Hund hat der britische Schriftsteller James Herriot vor 35 Jahren in seiner Tierarzt-Saga vom "Doktor und dem lieben Vieh" in einem parodistischen Motiv vorweg genommen: Er beschreibt den Pekinesen Tricki Woo, der einer exzentrischen reichen Witwe gehört, mit seinem "Uncle Herriot" jedoch eine persönliche Korrespondenz unterhält und ihn zur Teestunde einlädt.

Auf den Hund gekommen

Der Ich-Erzähler Herriot muss sich zunächst überwinden, an "Master Tricki Pumphrey" adressierte Briefe zu schreiben, tut es dann aber doch - aufgrund der Fresskörbe, die dieser ihm schickt, und wegen der exquisiten Bewirtung bei seinen Hausbesuchen.

Weiser als den Hund zu vermenschlichen wäre es vom Menschen, wenn er den Hund in sich wieder entdeckte!

Im antiken Griechenland gab es die Kyniker, die sich in Ableitung vom griechischen Wort kyon selbst als Hunde bezeichneten. Dem zu Grunde lag die Einsicht, dass das einfache Leben der Hunde zugleich ein gutes sei.

Wie Diogenes, der in einer Tonne lebte, strebten die Kyniker nach der Bedürfnislosigkeit, weil diese Zufriedenheit jenseits materiellen Elends ermöglicht.

Man könnte also von einem Hund so viel lernen, etwa, dass es nicht viel bedarf, um ein glückliches Leben zu führen, das heißt einen vollen Napf pro Tag und ab und zu eine vorbeistreunende heiße Hündin, mit der man es mal eben treiben kann.

Statt diesem Bekenntnis zum hündischen Existentialismus, den die Kyniker propagierten, wird nun im Gegenteil das Leben der Hunde von den Menschen verkompliziert. Ihre Existenz ist heute luxuriöser als ein verarmter Kyniker je zu träumen wagte: Kein Hund in Deutschland schläft mehr in einer Tonne!

Für den Hund bleibt zu hoffen, dass er von den Zumutungen durch seine überkandidelte Entourage bestenfalls nicht allzuviel mitbekommt, denn schlimmstenfalls fühlt er sich durch Fernflüge und Designermode wohl eher miss- als besonders gut behandelt.

Und letztendlich wird es ihm auch egal sein, ob er nun professionell oder amateurhaft gekrault wird.

© SZ vom 18.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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