Harbin:Das Wasser fließt - mit und ohne Benzol

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Nach der schweren Umweltkatastrophe wird die chinesische Millionenstadt Harbin wieder mit Leitungswasser versorgt. Der kilometerlange Benzol-Teppich treibt nun Richtung Russland.

Die Behörden gaben nach mehreren Tagen der Unterbrechung die normale Trinkwasserversorgung wieder frei, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. Provinzgouverneur Zhang Zuoji trank demonstrativ ein Glas Wasser aus dem städtischen Versorgungsnetz. Der 80 Kilometer lange Benzol-Teppich trieb unterdessen auf die chinesisch-russische Grenze zu.

Peking entschuldigte sich in Moskau für die Verseuchung, die in einigen Tagen in Chabarowsk am Amur erwartet wurde. Experten warnten vor langfristigen Gefährdungen bis zur Leukämie und Unfruchtbarkeit.

"Die Benzolwerte haben das normale Niveau von fünf Tausendstel Milligram pro Liter wieder erreicht", sagte Lin Qiang von der Gesundheitsbehörde der Provinz Heilongjiang. Mit Teststreifen sollen die neun Millionen Bewohner des Großraums Harbin in den kommenden Tagen die Benzol-Belastung des Leitungswassers vorsorglich weiter kontrollieren.

Am Freitag hatte die chinesische Regierung erstmals zugegeben, dass der Fluss durch rund hundert Tonnen Benzol verunreinigt worden war. Zehn Tage zuvor war in der Nachbarprovinz Jilin eine Chemiefabrik explodiert.

"Im Namen der chinesischen Regierung entschuldige ich mich für die möglichen Schädigungen, die die russische Bevölkerung erleiden könnte", sagte der chinesische Außenminister Li Zahoxing laut Xinhua dem russischen Botschafter Sergej Rasow. Der Songhua passiert die Grenze zu Sibirien in der Region Birobidschan und fließt in den russischen Grenzfluss Amur.

Auf der russischen Seite wurden am Wochenende keine erhöhten Benzolwerte gemessen. Es wurde damit gerechnet, dass das verseuchte Wasser erst in mehreren Tagen die Grenze erreicht.

Das Benzol könne in die Nahrungskette eindringen und damit noch lange Zeit Schäden verursachen, warnte der Toxikologe Kenneth Leung von der Universität Hongkong. Die US-Umweltagentur EPA wies darauf hin, dass Benzol beim Menschen Nervenschäden, eine Schwächung des Immunsystems und Blutarmut verursachen kann. Bei länger anhaltenden Belastungen kann Benzol demnach auch Leukämie, eine Zersetzung des Rückenmarks und Unfruchtbarkeit zur Folge haben.

Bestrafung für die Verantwortlichen

Begleitet von wachsender Kritik an der Vertuschungspolitik der Behörden hatte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao die Unglücksregion besucht. Beim Besuch in einem Wasserwerk forderte er die Mitarbeiter auf, die Versorgung von Harbin mit "sicherem und trinkbarem Wasser zu garantieren".

Jiabao weiter: "Jene, die verantwortlich für die Verschmutzung des Flusses Songhua sind, müssen bestraft werden." Nachdem die Vergiftung mehr als eine Woche lang vertuscht worden war, betonte der Ministerpräsident die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit "rechtzeitig" mit "sachlichen Informationen" zu unterrichten.

Die Umweltkatastrophe und ein weiterer Chemieunfall im Südwesten demonstrieren für Vizeumweltminister Pan Yue die "Dringlichkeit der Umweltprobleme" in China, "die unser tägliches Leben bedrohen". Bei einer Veranstaltung sagte der Vizeminister: "Die Probleme erfordern dringend Aufmerksamkeit und entschlossene Lösungen." Eine Behörde oder eine kleine Zahl von Menschen könnten sich nicht darum kümmern.

"Es braucht die Mitwirkung und Aufsicht der gesamten Gesellschaft." Umweltfragen seien lange ignoriert worden, während Funktionäre nur wirtschaftliches Wachstum vorantrieben, um befördert zu werden. Um die Wasserversorgung in Harbin wieder aufnehmen zu können, arbeiteten mehr als 1000 Arbeiter und Soldaten im Wasserwerk rund um die Uhr. 1200 Tonnen Aktivkohle zur Reinigung des Wasser von Schadstoffen waren aus anderen Provinzen herangeschafft worden.

Weitere Transporte sind unterwegs. Im Fluss sank die Konzentration von Nitrobenzol am Sonntag auf den zulässigen Grenzwert, berichtete die Umweltbehörde. Benzol soll gar nicht gemessen worden sein.

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