Handys:Bei Anruf Mord

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Fernsehen war gestern: In Amerika ist "24 Conspiracy" gestartet, die erste Fernsehserie für Handys.

Von Jürgen Schmieder

Eine Episode dauert nur etwas über eine Minute, der Bildschirm ist gerade siebeneinhalb Zentimeter groß, aber für die Verantwortlichen von Twentieth Century Fox und Verizon ist es das Fernseh-Format der Zukunft: "24 Conspiracy" lautet der Titel einer Serie, die soeben von Joel Surnow, dem Erfinder der preisgekrönten Echtzeit-Show "24", fertig gestellt wurde, der ersten Fernsehserie für das Handy. Der Fernsehapparat - ein Fall fürs Museum.

Eine Minute Action

In England und in den Vereinigten Staaten ist "24 Conspiracy" bereits angelaufen. Ähnlich wie beim TV-Vorbild geht es bei der Serie um einen Anti-Terrorismus-Agenten, der sich in das amerikanische Verteidigungsministerium einschleicht, einen brisanten Fall aufklären soll, um die Welt oder mindestens Amerika zu retten.

Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits seit einem halben Jahr können sich deutsche Handy-Besitzer Szenen der Comedy-Show "TV Total" oder Tore von Bundesligaspielen herunterladen. Alle diese Szenen werden erst dann aufs Handy gespielt, wenn sie zuvor bereits im Fernsehen zu sehen waren.

"24 Conspiracy" dagegen wurde speziell und ausschließlich für den Handymarkt entworfen. Eric Young, der Regisseur, drehte unter den Bedingungen der Mobiltelefon-Technik. Aufwändige Kamerafahrten, Supertotalen oder eine halbe Stunde Autojagd beispielsweise überfordern das Mobiltelefon Modell V Cast, für das die Serie entwickelt wurde.

Krimi im Taschenformat

Was bleibt, ist eine Fernsehserie im Taschenformat: 24 Folgen lang versucht der Agent Martin Kail (Dylan Bruce), Leben zu retten, Anschläge zu verhindern und die große Verschwörung aufzudecken. Er ist auf der Suche nach Susan Walker (Beverly Bryant), die einen hohen Regierungsbeamten ermordet hat und seitdem auf der Flucht ist.

In der ersten Episode sieht man den Mord und erfährt, dass Kail den Auftrag bekommt, Walker vor Gericht zu bringen. Das klingt sehr trivial, aber wie bei der TV-Serie "24" ist die Handlung natürlich viel komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussieht.

Jede der 24 Mini-Episoden, der "Mobi-Sodes" , dauert etwa eine Minute und endet mit einem Cliffhanger. Und so mussten die Drehbuchautoren innerhalb von 60 Sekunden die Handlung vorantreiben, Actionsequenzen einfügen und Spannung aufbauen. Ziel jeder Sendung ist es, so sagte Young der britischen Kunstzeitschrift Spectator, den Zuschauer für die nächste Folge zu begeistern.

Kino im Bonsai-Format

Die bekommt er eine Woche später zu sehen, wenn er sie auf sein Handy bestellt oder ein Abonnement für die gesamte Staffel ordert. Der Preis für eine Episode beträgt einen Dollar, das Komplett-Paket gibt es für 19,99 Dollar. Wer eine Folge verpasst, kann sie sich nachträglich schicken lassen.

Chris Alexander, Vizepräsident der Produktionsfirma 20thCentury Fox, sieht bereits die Chance, mit dieser Art Programm einen neuen Markt zu erschließen. "Wenn ,24 Conspiracy' ein Erfolg wird, werden wir über andere Handy-basierte Produktionen nachdenken", sagte er in einem Interview mit der New York Times. Konkrete Pläne für andere Shows hat er aber noch nicht.

"24 Conspiracy" startete am vergangenen Dienstag in den Vereinigten Staaten. In Deutschland soll das Serienformat frühestens ab Sommer zu sehen sein. Ob das Bonsai-Format allerdings tatsächlich eine Bedrohung für die metergroßen Heimkino-Anlagen darstellt, wird man sehen.

© SZ vom 18.02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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