Guillaume Depardieu:Wenn die Pein nicht enden will

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Jahrelang höllische Schmerzen, dann das Bein amputiert - der Schauspieler ist aus der Rolle gefallen und soll mit einer Schrotpistole einen Verehrer gefährdet haben.

Von Gerd Kröncke

(SZ vom 28.08.2003) Es kann nicht immer leicht gewesen sein, Depardieu zu heißen, Sohn eines berühmten Mannes zu sein, zumal wenn man den selben Beruf hat. Guillaumes Vater, Gérard Depardieu, gehört schließlich zu den Großen unter Frankreichs Schauspielern. Einige Male haben beide gemeinsam vor der Kamera gestanden - schon in "Cyrano de Bergerac" - und wie der Junge seine Rolle spielte, das hat den Alten überzeugt. Als Profi war Guillaume hinreichend selbstbewusst, hatte seine eigenen Erfolge. 1996 bekam er den angesehenen "César" als bester Nachwuchsschauspieler. Doch hat es das Leben nicht immer gut gemeint mit ihm. Jetzt läuft auch noch ein Verfahren gegen ihn, weil er aus der Rolle gefallen ist und mit einer Schrotpistole einen Verehrer gefährdet haben soll.

Guillaume Depardieu am 22.03.2003 beim Film-Festival von Valenciennes. (Foto: Foto: dpa)

Gründe für die Verzweiflung

Guillaume Depardieu, 32, war oft zu großer Wut fähig und hatte in den letzten Jahren hinreichend Grund zur Verzweiflung. In einem Interview, das vorige Woche in Paris Match erschien, antwortet er auf die Frage, ob ihm denn danach zu Mute sei, in die Luft zu schießen: "In die Luft ja, aber niemals auf Menschen."

Kurz nach Erscheinen des Interviews aber gab es diese Episode, die nun den Staatsanwalt interessiert. Im Badeort Trouville, oben im Calvados, auf der Rue des Bains, war Depardieu Freitagnacht, kurz nach Mitternacht, in Begleitung seiner Freundin und eines Cousins durchaus höflich von einem Fan angesprochen worden. Der sparte nicht mit Komplimenten und stellte die harmlose Frage, ob sein Outfit denn dasselbe wie auf dem Titel von Paris Match sei. Da ist der Schauspieler ausgerastet, zog eine Waffe und schoss. In die Luft, glücklicherweise.

Höllische Schmerzen im Knie

Offenbar haben die Nerven des sensiblen Akteurs wieder einmal bloß gelegen. Er hat Schlimmes erlebt und war in Trouville, wo sein Vater eine Villa besitzt, als Rekonvaleszent. Denn erst vor drei Monaten wurde ihm das rechte Bein amputiert. Davor hatte Depardieu jahrelang unter ständigen höllischen Schmerzen gelitten. "Konzentrieren Sie sich auf das Innere Ihres Knies und stellen Sie sich vor, dass Sie bei jedem Schritt, den Sie tun, schreien müssen", hatte er seine Situation einmal beschrieben.

Seine Tragödie hatte mit einem Motorradunfall begonnen. Auf einer Schnellstraße bei Paris war vor ihm ein Koffer von einem Auto gefallen, und sein Sturz war fürchterlich gewesen. Über sieben Jahre hat er an den Folgen laboriert, nach den komplizierten Beinbrüchen gab es immer wieder Infektionen, manchmal lebensgefährlich und immer schmerzhaft. Zeitweise konnte er nur noch unter Morphium durchhalten.

Von den Ärzten fühlte er sich hintergangen, empörte sich gegen deren "Geld! Geld!"-Forderungen, wurde 17-mal operiert und war zuletzt buchstäblich aus einem Hospital aus dem Fenster geflohen, um ihnen zu entkommen. Er fand endlich einen Chirurgen, der die Amputation vornahm. Die Alternative wäre ein verkürztes Bein und ein auf Dauer verbogener Rücken gewesen. Damit wollte der Schauspieler nicht leben.

Verlorenes Vertrauen zu den Ärzten

Seine Empörung hat er sich auch danach bewahrt, er hat sich für Opfer ärztlicher Kunstfehler engagiert, seine Prominenz für Patienten-Selbsthilfegruppen eingesetzt. Mit seinem Vermögen konnte er sich zumindest die bestmögliche Prothese leisten. "Ein Arbeiter, dem Ähnliches widerfährt", sagt er, "geht daran kaputt." Aber seinen Lebensmut hat er nur mühsam wiedergefunden. Mehr als ein Dutzend Mal hatte er schon sein Testament geschrieben.

Seit der Amputation kam er nur zu den Wochenenden aus der Reha-Klinik, fühlte sich verletzbar, schutzlos, und weil er sich auch verfolgt fühlte, besorgte er sich die Schrotpistole. Über den Vorfall von Freitagnacht auf der Rue des Bains gehen die Erinnerungen auseinander. Depardieu erzählt von fünf Rowdies, die ihn geschlagen, bedroht und seine Prothese beschädigt hätten. Der Staatsanwalt hingegen konstatiert kühl, dass es für diese Version keine Zeugen gebe, und wieso man denn eine Pistole brauche, "Trouville im August, das ist nicht die russische Steppe im Winter". Depardieu indes bestreitet, auf den Verehrer gezielt zu haben. Gegen eine Kaution bleibt er auf freiem Fuß und wartet auf das Gerichtsverfahren.

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