Großbritannien:Hannah hat das Recht zu sterben

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Die britische Schülerin Hannah Jones, 13, leidet seit acht Jahren an Leukämie. Jetzt hat sie das Recht erkämpft, in Frieden und Würde zu sterben.

W. Koydl

Hannah ist ein aufgewecktes, intelligentes Mädchen, und wie jeder Teenager hat sie Hoffnungen, Träume und Wünsche. Jetzt, wenige Wochen vor Weihnachten, ist ihr größter Wunsch in Erfüllung gegangen: Sie hat das Recht erhalten, in Frieden und Würde sterben zu dürfen.

Hannah und ihr Vater: Der letzte Wunsch ist ein Besuch im Disneyland in Florida. (Foto: Screenshot: www.bbc.co.uk)

Der Fall der 13-Jährigen Schülerin aus der mittelenglischen Grafschaft Hereford hat die britische Öffentlichkeit berührt, schockiert und verunsichert. Denn er belebt die seit Monaten heftig geführte Debatte um Sterbehilfe.

Die passive ist in Großbritannien erlaubt, um die aktive wird derzeit gestritten. Da ein Kind im Mittelpunkt steht, wirft der Fall auch die grundsätzliche Frage auf, inwieweit Minderjährige das Recht haben sollen, über ihr eigenes Leben zu entscheiden.

Genau diese Entscheidung über Leben und Tod aber hat Hannah nun getroffen, und ein hochrangiges Gremium von Medizinern und Juristen hat ihr recht gegeben. Anstatt in einer Klinik an Maschinen und Tröpfen zu hängen, wird sie ihre letzten Tage und Wochen daheim mit ihren Eltern, ihrem elfjährigen Bruder Oliver und ihren Schwestern Lucy,10, und Phoebe,4, verbringen dürfen.

Lebensbedrohliches Loch im Herzen

Als sie fünf Jahre alt war hatte man bei Hannah Jones Leukämie diagnostiziert. Eine acht Jahre andauernde Behandlung mit Chemotherapie und aggressiven Medikamenten dämmte die Krankheit zwar ein; doch zugleich führte sie dazu, dass sich ein lebensbedrohendes Loch in ihrem Herzen bildete.

Hannahs Krankenhaus riet daher eindringlich zu einer Herztransplantation. Doch das Mädchen lehnte den Eingriff ab, nachdem es von den Nebenwirkungen erfahren hatte. "Sie haben mir alles erklärt, aber ich wollte keine weiteren Operationen mehr ertragen müssen", sagte Hannah. "Ich hatte genug von Krankenhäusern und wollte nach Hause gehen."

Denn höchstwahrscheinlich hätten die Medikamente, die sie erhalten müsste, damit ihr Körper das Spenderherz akzeptiert, den Blutkrebs wiederaufleben lassen. Hannah würde den Rest ihres mutmaßlich kurzen Lebens im Bett verbringen müssen.

Sorgerecht der Eltern in Frage gestellt

Ihr Vater Andrew und Mutter Kirsty, die als Krankenschwester auf einer Intensivstation arbeitet, unterstützten den Entschluss ihrer Tochter und holten sie nach Hause. Das Krankenhaus jedoch suchte eine gerichtliche Entscheidung, um Hannah notfalls auch gegen ihren Willen zu behandeln.

Den Eltern sollte das Sorgerecht entzogen werden, um die Operation zu erzwingen; sie sollte umgehend abgeholt werden. Doch in einem eingehenden Gespräch konnte die 13-Jährige eine von einer staatlichen Behörde bestellten Vertrauensperson von ihrer Entscheidung überzeugen. Sie habe, sagte sie später dem Sender Sky News, ihre Wahl getroffen und gehe bewusst das Risiko ein, dass sie bald sterben könne.

Auch die Klinik beschrieb Hannah mittlerweile als "tapfere und mutige junge Frau. Hannah scheint die Ernsthaftigkeit ihres Zustandes zu verstehen", gestand das Krankenhaus zu.

Was sich Hannah nun noch wünscht, ist ein Besuch in Disney World in Florida. Doch es ist ungewiss, ob der Wunsch in Erfüllung geht. Bislang haben ihre Eltern noch keine Firma gefunden, die sie für die Reise versichert.

© SZ vom 12.11.2008/mmk/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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