Gewalttat:Bestürzung über den Tod von Frère Roger

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Der gewaltsame Tod des Gründers der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger, hat in der evangelischen und katholischen Kirche Trauer und Bestürzung ausgelöst.

Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner erklärte am Rande des Weltjugendtages in Köln, er habe die Nachricht mit tiefer Erschütterung zu Kenntnis nehmen müssen. "Wir sprechen der Gemeinschaft von Taizé unsere tiefe Anteilnahme aus", erklärte Meisner.

Frère Roger. (Foto: Foto: AP)

Tief bestürzt äußerte sich die Deutsche Bischofskonferenz über die Ermordung des 90-Jährigen. Die Tat verurteilte sie auf das Schärfste.

"Ein Mann, der sein Leben der Botschaft Jesu von der Versöhnung aller Menschen und des Friedens besonders auch zwischen den Kirchen, Konfessionen und Religionen widmete, hat ein Schicksal erlitten, das uns an das gewaltsame Geschick Jesu und andere Zeugen für ein gewaltfreies Leben der Menschen wie Martin Luther King und Dag Hammarskjöld erinnert", erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann.

"Persönliche Betroffenheit"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, reagierte in einer Erklärung "mit fassungsloser Bestürzung und in persönlicher Betroffenheit" auf den Tod Rogers. Die Begegnung, der persönliche Austausch und das gemeinsame Gebet mit ihm "werden mir unvergesslich bleiben", sagte Huber in Hannover.

Frère Roger sei ein Mensch der Versöhnung, des Trostes und der Zuversicht aus dem Glauben gewesen. "Er möge allen Halt geben, die jetzt um ihn trauern", erklärte Huber.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Katholischer Jugend, Knuth Erbe, sagte am Mittwoch am Rande des Weltjugendtages im ZDF-Morgenmagazin, der Geistliche sei eine der "sehr prägenden Persönlichkeiten" der Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten gewesen. "Ich glaube, dass er fast in einer Linie steht mit Papst Johannes Paul II. Und Mutter Teresa", sagte Erbe.

"Er war ein Heiliger"

Ähnlich äußerte sich in der Sendung auch der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten. Man könne Frère Roger ruhig in eine Reihe mit dem letzten Papst und Mutter Teresa stellen, sagte Jüsten und fügte hinzu: "Es ist schwierig, ihn als Katholik zu sagen, er war ein Heiliger, aber vielleicht werden die Evangelischen verstehen, wenn wir ihn als solchen verehren."

Der Generalsekretär des XX. Weltjugendtags, Heiner Koch, erklärte zum Tod Rogers, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Weltjugendtags beteten für diese große Persönlichkeit.

Frère Roger sei der katholischen Kirche immer tief verbunden gewesen. "Zuletzt waren wir alle froh und dankbar, dass er am Begräbnis von Papst Johannes Paul II. teilgenommen hat", sagte Koch.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen würdigte den Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé als großen geistlichen Lehrer des 20. Jahrhunderts. "Roger Schutz hat besonders der Jugend gezeigt, was es heißt, heute als Christ zu leben", sagte Thissen in Köln.

"Ein Mensch, der ganz aus dem Evangelium lebt"

Der Erzbischof erinnerte daran, dass Schutz beim Europäischen Jugendtreffen von Taizé vor anderthalb Jahren in Hamburg war: "Da konnte ich mit vielen anderen erleben, wie ein Mensch von innen heraus leuchtet, der ganz aus dem Evangelium lebt."

Auch Frankreichs Ministerpräsident Dominique de Villepin zeigte sich zutiefst betroffen über den Mord am Gründer der Glaubensgemeinschaft von Taizé. "Frère Roger wird uns als prägende Figur unsere Religionsgeschichte in Erinnerung bleiben", erklärte der Premierminister am Mittwoch in Paris. Er habe mit Taizé eine ökumenische Bewegung geschaffen, die Menschen in aller Welt begeistere.

Die französische Regierung versichere der Gemeinschaft und allen ihren Anhängern ihre Solidarität und Anteilnahme "während dieser Prüfung", erklärte Villepin.

Bestürzung auch in der deutschen Politik

Auch in der deutschen Politik löste der gewaltsame Tod Frère Rogers große Bestürzung aus. Frère Roger sei eine der "großen religiösen bedeutsamen Persönlichkeiten der Gegenwart" gewesen, erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er verwies auf dessen Wunsch nach einer Versöhnung der Kirchen und dessen Engagement für die Ökumene.

Frère Roger habe jüdischen Flüchtlingen Schutz vor den Nazis gegeben, er habe sich um Migranten gekümmert und in den Entwicklungsländern engagiert. "Sein Vorbild und seine Ziele werden unvergessen bleiben und weiter wirken", hob der Kanzler hervor.

Bundespräsident Horst Köhler nannte die Tat "unfassbar". In einem Beileidstelegramm an den Nachfolger Frère Rogers, Frère Alois, schrieb er am Mittwoch in Berlin, es habe "einen Menschen getroffen, der zeitlebens für Brüderlichkeit, für Verständigung zwischen den Kirchen und Nationen und vor allem für Gewaltlosigkeit eingetreten" sei.

Anstoß für die Weltjugendtage

Frère Roger habe wichtige Impulse für die Ökumene gegeben. Mit den internationalen Taizé-Treffen habe er gleichsam den Anstoß für die Weltjugendtage gegeben.

Die grünen Fraktionschefinnen Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager erklärten, Frère Roger sei ein "unermüdlicher Fürsprecher der Ökumene" gewesen. Beide äußerten die Hoffnung, "dass dieses geistige Erbe Frère Rogers lebendig bleibt und dass auch Papst Benedikt in diesem Sinne Zeichen setzen wird". Der Tod von Frère Roger werfe auch einen Schatten auf den Weltjugendtag in Köln.

Täterin möglicherweise doch nicht geisteskrank

Unterdessen stellte die französische Staatsanwaltschaft Berichte in Frage, wonach die Täterin der Messerattacke auf Frère Roger geistig verwirrt sei. Die Rumänin habe sich im Verhör durchaus zusammenhängend geäußert, sagte Staatsanwalt Jean-Louis Coste am Mittwoch.

Sie sei jedenfalls nicht "so sehr gestört, dass eine Unterbringung in der Psychiatrie gerechtfertigt wäre". Die Angreiferin habe zudem angegeben, dass sie Frère Roger nicht habe ermorden wollen. Die 36 Jahre alte Frau habe "Aufmerksamkeit erzeugen, aber nicht töten wollen", sagte Coste in Macon nach ersten Verhören.

Die Frau bestreite die Tat nicht. Sie habe mit Frère Roger sprechen wollen, sei aber wegen der vielen Menschen in Taizé zunächst nicht zu ihm vorgedrungen. "Sie hat immer seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen", sagte Coste. "Das erscheint allerdings als Erklärung etwas zu kurz gegriffen."

Messer schon am Montag gekauft

Die Frau mit dem Vornamen Luminita kaufte demnach schon am Montag ein Messer in der Stadt Cluny, nahe Taizé. Dies lasse "vielleicht" an Vorsatz denken, sagte Coste. In diesem Fall werde die Anklage auf Mord lauten, sofern die Frau schuldfähig sei.

"Es gibt hier sicher ein psychisches Problem", erläuterte der Ermittler. Erste Untersuchungen hätten aber keine ausreichenden Gründe für eine Einweisung in die Psychiatrie erbracht. "Sie schien bei klarem Verstand zu sein." Deshalb habe er ein weiteres psychiatrisches Gutachten angefordert, sagte Coste.

Die Mittdreißigerin hatte Roger, den Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, am Dienstag beim Abendgebet vor 2.500 Jugendlichen niedergestochen.

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