Getarnte Amerikaner:Oh wie schön, aus Kanada!

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Wenn amerikanische Touristen auswärts punkten wollen, verkleiden sie sich einfach - als ihre ungleich beliebteren Nachbarlandsleute.

Von Bernadette Calonego

Amerikanische Touristen sehen sich in Europa mitunter lästigen Anfeindungen ausgesetzt. Und vor allem seit dem Irak-Krieg würden viele gern vermeiden, sich auf Auslandsreisen unnötig rechtfertigen zu müssen.

Tut mir nichts - ich bin doch ein Kanadier! (Foto: Foto: AP)

Ein US- Bekleidungshersteller hat sich diesen Missstand für eine Geschäftsidee zunutze gemacht: Für zwei Dutzend Dollar bietet er vorsichtigen Landsleuten an, sich als Kanadier zu verkleiden.

Die Ausrüstung dafür verkauft die Internetfirma "T-shirtking.com" auf ihrer Webseite: Zu ihrem kompletten Set kanadischer Tarn-Utensilien gehören ein T-Shirt mit Kanada-Flagge, Nationalsymbole wie das Ahornblatt zum Aufnähen, Kleber sowie Ansteckknöpfe in den kanadischen Farben.

Alter Trick

Selbst ein Wörterbuch mit kanadischen Redewendungen gehört zur Ausstattung. "Möchten Sie lieber nach Übersee reisen, ohne Ihre politischen Ansichten mit jeder Person, die Sie treffen, diskutieren zu müssen?" fragt die Firma potentielle Kunden auf ihrer Seite. "Geben Sie sich doch als Kanadier aus!"

Die Firma folgt damit auch einem alten Trick junger US-Touristen, die sich in bestimmten Ländern als Schutz gern eine kanadische Flagge auf den Rucksack nähen. Denn die Kanadier gelten in der Welt als beliebter, weil sie angeblich weniger forsch auftreten als Amerikaner.

Die Idee zum textilen Täuschungsmanöver kam den Inhabern der Firma nach den US-Wahlen im November 2004. Das Ehepaar Lisa und Bill Broadbent hörte vom Wunsch vieler Amerikaner, aus Protest gegen George W. Bush nach Kanada zu emigrieren. Das Verkleidungspaket war als Ulk gedacht: ein "Geschenk" von Republikanern für enttäuschte Demokraten.

"eh?" nach jedem Satz

Aber jetzt stürzen sich die US-Touristen darauf. Wie gut die Geschäfte laufen, erzählte Bill Broadbent kürzlich im kanadischen Fernsehen CBC. Die Kanadier sollten das als Kompliment sehen, sagte der US-Unternehmer: "Die Tatsache, dass wir auf Europa-Reisen belästigt werden und nicht die Kanadier, sagt viel über dieses Land aus."

Dank Broadbents Anleitung können Amerikaner nun einüben, dass typische Kanadier nach fast jedem Satz ein "eh?" anhängen. Sie lernen, dass Eishockey angeblich "der einzige wirkliche Sport in Kanada" sei. Und sie müssen sich Namen kanadischer Eishockey-Spieler merken.

Und nun wissen auch mehr Amerikaner, dass "Mountie" ein kanadischer Polizeibeamter ist. Kanadier dürften das auch als Aufklärung gutheißen: Denn laut Umfragen glauben viele Amerikaner noch, dass Kanada ein US-Bundesstaat ist.

© SZ vom 3.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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