Gepanschtes Fleisch:Ein schwer wiegender Verdacht

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Man schmeckt es nicht und es ist wohl auch nicht giftig. Aber ein Skandal wäre es doch, wenn dieser Verdacht stimmt: Lebensmittelhersteller sollen über Jahre hinweg Fleisch- und Wurstprodukte mit Wasser und Eiweißen gestreckt haben.

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Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liegen Hinweise vor, dass mehrere große Lebensmittelhersteller über Jahre das Gewicht von Fleisch und Wurst durch den Zusatz von Wasser und Wasserbindern illegal erhöht haben.

Ist ja Wurst: Produktion in einem Fleisch verarbeitenden Betrieb. (Foto: Foto: ddp)

"Wenn sich die Hinweise bestätigen, wurden die Verbraucher in großem Stil über den wirklichen Inhalt von Wurst- und Fleischwaren getäuscht. Gemeinsam mit den Ländern gehen wir nun in einer konzertierten Aktion diesem Verdacht nach", sagt der Präsident des Bundesamtes, Christian Grugel.

Derzeit gehe man allerdings nicht von einer Gesundheitsgefahr für Verbraucher aus, sagte Grugel der Süddeutschen Zeitung.

Als Wasserbinder werden in der Regel Stücke von Eiweißstoffen (Proteinhydrolysate) eingesetzt, die nicht gesundheitsschädlich sind. Es könne aber vorkommen, dass auf diese Weise beispielsweise Hühnerproteine in ein als Schwein gekennzeichnetes Produkt gelangen. Betroffen könnten die unterschiedlichsten Wurstwaren sein, unabhängig davon, ob sie aus Rind, Schwein oder Geflügel bestehen.

Derzeit kann das BVL die Wurstpanscherei allerdings noch gar nicht eindeutig nachweisen: Die als Wasserbinder verwendeten Eiweißstoffe sind so stark zersetzt, dass sich nicht mehr unterscheiden lässt, ob sie in die Wurst gehören oder nachträglich zugesetzt wurden.

Grugel hofft, dass den Verbraucherschützern bis Mitte des Jahres eine geeignete Analysemethode zur Verfügung steht. Wie viele Hersteller möglicherweise betroffen sind, kann der Verbraucherschützer derzeit noch nicht abschätzen, man gehe aber davon aus, "dass es sich nicht nur um ein oder zwei Fälle handelt".

Das Bundesamt informierte am Mittwoch die Behörden der Länder über die neuen Erkenntnisse. Aufgefallen war der illegale Einsatz von Wasser und Wasserbindern bereits auf den britischen Inseln.

In Großbritannien und Irland servierte Hähnchenfilets bestanden zumindest 2001 bis 2003 teilweise zu mehr als 40 Prozent aus Wasser und Wasserbindern. Wie das Ganze funktioniert, ist in einem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 7. September 2004 nachzulesen.

Bei den Wasserbindern handelte es sich "insbesondere um hydrolisierte Proteine vom Schwein, von Geflügel oder vom Rind, um Caseine (Milchproteine), Pflanzenproteine, Salz usw." Schweine- und Rindfleisch darf nach Behandlung mit Wasserbindern nicht mehr als Frischfleisch angeboten werden. Bei Geflügelfleisch sind diese Verfahren sogar EU-weit unzulässig.

"Der Verdacht, dass teilweise manipuliert wird, besteht seit Anfang der 90er Jahre", sagt Götz Anhalt vom niedersächsischen Verbraucherschutzministerium.

Es gehe darum, dass gewisse Hersteller Eiweißhydrolisate nutzten, um erhebliche Wasserzusätze in Fleischzubereitungen zu kaschieren. Zum Teil sei es nicht einmal möglich, die Tierart nachzuweisen, aus der das Fremdeiweiß hergestellt wurde.

In Deutschland müssen in Verdacht geratene Lebensmittelhersteller schon in naher Zukunft mit Betriebskontrollen rechnen.

© SZ vom 10.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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