Gen-Reis:Die Spur der Körner

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Der in Europa verkaufte Reis ist womöglich schon lange mit genmanipulierten Sorten verunreinigt.

Die Menge von genmanipuliertem Reis, die nach Europa eingeschleppt wurde, ist offenbar viel größer, als bisher angenommen. Seit EU-Verbraucherkommissar Markos Kyprianou die Mitgliedsstaaten am 22. August zu stärkeren Kontrollen aufgefordert hat, ist der in der EU nicht zugelassene Reis fast überall aufgetaucht. Europäische Mühlen fanden in jeder fünften von 162 Proben genveränderten Reis der Sorte LL 601, einer Entwicklung des Pharmakonzerns Bayer.

Für den Verbraucher ist Gen-Reis nicht von herkömmlichem Reis zu unterscheiden (Foto: Foto: AP)

Die meisten Firmen verhinderten zwar, dass die Ware in die Regale kam. Doch im Fall von Aldi Nord ist das offenbar nicht gelungen. Der Discounter muss in diesen Tagen seine Marke "Bon-Ri" aus den Regalen nehmen, nachdem die Umweltschutzorganisation Greenpeace festgestellt hat, dass ein Teil der Ware Rückstände enthielt.

"Frage der Zeit, bis wir in Deutschland fündig werden"

Davon unabhängig fanden aber auch schwedische und französische Lebensmittelkontrolleure Spuren von LL 601. Im Rotterdamer Hafen liegen derzeit 20.000 Tonnen amerikanischer Exportware fest, weil drei von 23 untersuchten Lieferungen den verdächtigen Inhalt enthielten. Deutschland präsentierte bei einem Treffen der EU-Staaten am Montag zwar eine weiße Weste: Bei 480 Tests seit 1999 seien keine gentechnisch veränderten Lebensmittel gefunden worden, versicherte die Bundesregierung.

Doch das könnte sich nach Ansicht der zuständigen Kontrollbehörde schon bald ändern: "Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis wir fündig werden", sagte ein Sprecher des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) der Süddeutschen Zeitung. Er verwies darauf, dass entsprechende Untersuchungen mehrere Tage dauern und nur von sehr wenigen Labors in Deutschland überhaupt durchgeführt werden können. Tests mit einer neuen Methode für LL 601 sind zudem erst seit kurzem verfügbar. Diese viel genaueren Tests wurden bisher in der EU nur in Frankreich und Schweden angewandt, wo prompt auch etwas gefunden wurde.

Sporadische Untersuchungen

In Brüssel wird daher vermutet, dass der Genreis womöglich seit Jahren verkauft wird. Ausschließen will man das auch bei der Euryza GmbH nicht, von diesem Hersteller stammen die bei Aldi entdeckten, belasteten Proben. "Wir haben es hier mit einem europäischen Problem zu tun, von dem mehr oder weniger alle Reisproduzenten betroffen sein dürften", so ein Firmensprecher. Der aus den USA stammende verunreinigte Reis sei nicht nur von Euryza bezogen worden. Der Verunreinigungsgrad sei jedoch mit sechs Körnern auf 10.000 sehr gering.

Bis vor kurzem wurden Chargen aus den USA bei Euryza nur sporadisch untersucht, weil das Problem der Verunreinigung gar nicht bekannt gewesen sei. "Wir haben uns auf das Importverbot verlassen", ergänzt der Firmen-Sprecher. Neue Lieferungen würden erst seit der Warnung am 22. August gezielt auf genverändertes Material untersucht. "Wir können daher nicht ausschließen, dass genmanipulierter Reis schon vor diesem Datum in den Handel gelangt ist und auch verzehrt wurde."

Einzelhandel reagiert zurückhaltend

Die Euryza GmbH, die auch die bekannten Marken Oryza und Reis-Fit vertreibt, ist mit einer Jahresproduktion von 70.000 Tonnen einer der größten Hersteller Deutschlands und beliefert nahezu alle großen Handelsketten. Rohware bezieht das Unternehmen nach eigenen Angaben vor allem aus Thailand, den USA und Spanien.

Eine weitere Spur des Genreises führt auch nach China; Umweltschützer entdeckten vor kurzem im europäischen Handel Rückstände in asiatischen Reisnudeln. Zwar bestreitet das chinesische Außenministerium hartnäckig den Export, auch der kommerzielle Anbau ist offiziell verboten. Doch nicht alle halten sich daran. So gaben etwa Wissenschaftler in der Provinz Hubei Saatgut an Bauern ab - ohne staatliche Genehmigung und ohne die Landwirte zu informieren. Greenpeace entdeckte die Ernte später bei einem Großhändler in Kanton. Sogar in Babynahrung konnte der Genreis schon nachgewiesen werden.

Mit Zurückhaltung reagierte unterdessen der Einzelhandel auf den ersten Fund in Deutschland bei Aldi Nord: Deutschlands größter Handelskonzern Metro kündigte interne Überprüfungen an. Außerdem habe das Unternehmen die Lieferanten angeschrieben, sagte ein Sprecher. Untersuchungen gibt es auch bei Edeka: Gemeinsam mit den Lieferanten werde geprüft, woher der gelieferte Reis stamme. Die Edeka-Eigenmarken enthielten Reis, der aus Europa komme, und keine Ware aus den USA. Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe betont, er beziehe für seine Eigenmarken keinen Reis von dem ins Gerede gekommenen Aldi-Lieferanten.

© SZ vom 13.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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