Geiseldrama in der Sahara:Ehemaliger Aufständischer vermittelt in Mali

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Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen auf einen Tuareg-Führer, den sie mit der Vermittlung im Geiseldrama in der Sahara beauftragt hat. Der Mann ist bereits auf dem Weg zu den Geiselnehmern im Norden Malis.

Von Annette Ramelsberger

(SZ vom 5. August 2003) Sie halten sich dort in einem unwegsamen Gebiet auf, das selbst mit Allrad-Wagen nur in vier bis fünf Tagen zu erreichen ist. In Berliner Sicherheitskreisen wurde am Montag bestätigt, dass der Tuareg den Namen Iyad Ag Agaly trägt und in den 90-er Jahren einer der Anführer des Tuareg-Aufstands in Mali war.

Seine Vergangenheit scheint geeignet dafür, die Geiselnehmer zu beeindrucken und bei ihnen Vertrauen in den Mittelsmann zu wecken. In den 90-er Jahren hatten sich malische Truppen und Tuareg-Gruppen in einem Kleinkrieg zermürbt. Hunderte kamen jedes Jahr ums Leben. Erst 1996 wurde der Aufstand in Timbuktu feierlich beigelegt.

"Ich denke, er wird sie freibekommen"

"Er kennt die Wüste sehr gut, und ich denke, er wird sie freibekommen", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen hohen Tuareg, der sich über den Mittelsmann der Bundesregierung äußerte. Der Vermittler ist weitgehend auf sich selbst gestellt. Eine Eskorte von Sicherheitskräften erscheint unmöglich, da dies die Entführer verunsichern könnte. Angeblich ist Agaly mit zwei Jeeps auf dem Weg in Richtung Norden.

Von seinem Verhandlungsgeschick und seiner Autorität wird es abhängen, ob die Geiseln frei kommen. Vor allem kann Agaly kein Geld anbieten. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit immer deutlich gemacht, dass sie Lösegeldzahlungen "entschieden und aus grundsätzlichen Erwägungen" ablehnt, wie es Auswärtigen Amt heißt. Die Bundesregierung befürchtet in diesem Fall Nachahmungstaten, die zu immer neuen Entführungen führen könnten. Schon wird aus Mali von "Verärgerung" der Geiselnehmer berichtet, weil die Bundesregierung nur sehr verhalten auf ihre Lösegeldforderungen reagiert habe.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes wollte auch am Montag nicht zu den seit Tagen kursierenden Spekulationen eingehen, es würden etwa 65 Millionen Euro Lösegeld gefordert.

Mit einer schnellen Lösung ist nicht zu rechnen

Mit einer schnellen Lösung des Dramas ist nicht zu rechnen. Sowohl die islamistischen Entführer als auch die Tuareg-Nomaden haben ein anderes Zeitgefühl als Westeuropäer. Eine Lösung ist aber im Sinne der Nomaden. Sie streben möglichst Ruhe in ihrem Land an, das sie als Rückzugsgebiet begreifen und das staatlicher Kontrolle weitgehend entzogen ist. Das soll auch so bleiben. Die Entführer haben bereits zu viel internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Inzwischen mischen sich immer mehr selbst ernannte Vermittler in die Befreiungsbemühungen ein und hoffen dabei auf eigene Vorteile. Neben den Kontakten der malischen Regierung mit den Geiselnehmern und dem Tuareg-Verbindungsmann bieten sich auch immer wieder örtliche Würdenträger an. Angeblich sollen die Geiselnehmer dadurch verunsichert sein. Schon in Algerien boten sich immer neue Vermittler an, ohne allerdings wirklich Zugang zu den Entführer zu haben.

Unterdessen hat die Bundesregierung Kritik von Angehörigen der Geiseln zurückgewiesen. Die Vorwürfe des Ex-Mannes der verstorbenen Entführten Michaela Spitzer seien "in der Sache nicht berechtigt", sagte eine Sprecherin. Die Bundesregierung unternehme alles für eine Freilassung der Geiseln. Sie verstehe die "schwierige Lage der Angehörigen".

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