Geheimdienst: Homosexuelle gesucht:Coming in

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Der britische Geheimdienst will offen homosexuelle Agenten anwerben. James Bond schwul? Das bedeutet einen Meinungsumschwung des MI5.

Wolfgang Koydl

Wenn das so weitergeht, wird Daniel Craig vielleicht schon bald umdenken müssen. Wird die Fiktion von der Realität eingeholt, könnte es der 007-Darsteller in einem der nächsten Filme nämlich nicht mehr mit einem Bond-Girl zu tun haben, sondern mit einem Bond-Boy: Zum ersten Mal in seiner Geschichte will der britische Geheimdienst aktiv auch unter Schwulen und Lesben neue Agenten anwerben.

Verguckt sich Daniel Craig im nächsten "James Bond" in einen Mann? (Foto: Foto: Reuters)

Ein Filmtitel wie "Der Spion, der mich liebte" hätte sich dann als geradezu prophetisch erwiesen.

Bislang ist diese radikale neue Personalpolitik aber noch auf den Inlandsgeheimdienst mit dem Kürzel MI5 beschränkt. Sein Chef Jonathan Evans billigte soeben die Zusammenarbeit mit Stonewall, Großbritanniens führender Homosexuellen-Lobby.

Deren Mitarbeiter wollen einerseits schwule MI5-Agenten und Beamte dazu ermutigen, sich offen zu ihren sexuellen Neigungen zu bekennen; andererseits bieten sie Ratschläge an, wie der Dienst künftig verstärkt Homosexuelle anstellen kann. Noch in diesem Jahr will Stonewall den Geheimdienst in seine Liste schwulenfreundlicher Arbeitgeber aufnehmen.

Keine Angst mehr vor Erpressungsversuchen

Für MI5, der nur im Inland operiert und zu dessen vorrangigen Aufgaben die Vereitelung von Terroranschlägen zählt, bedeutet dies einen dramatischen Meinungsumschwung.

Noch bis Anfang der neunziger Jahre war die Beschäftigung sich offen bekennender Homosexueller hier, sowie beim Auslandsgeheimdienst MI6 und im diplomatischen Dienst explizit verboten - und dies, obwohl gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Erwachsenen schon seit 1967 legalisiert waren. Es wurde jedoch befürchtet, dass praktizierende Homosexuelle Opfer von Erpressungsversuchen ausländischer und feindlicher Dienste werden könnten.

Unausgesprochen, aber in den Überlegungen ständig präsent, war auch die Erinnerung an die sogenannten Cambridge Five. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von Absolventen der Eliteuniversität Cambridge rings um den britischen Top-Spion Kim Philby, die vom sowjetischen KGB in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angeworben worden waren und Moskau bis in die 50er Jahre Informationen lieferten. Zwei Mitglieder dieses Ringes, Guy Burgess und Anthony Blunt, waren schwul.

Seit den Terroranschlägen auf die Londoner U-Bahn im Juli 2005 hat sich die Zahl der MI5-Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Vor allem britische Muslime und Kandidaten mit Kenntnissen orientalischer Sprachen wurden gezielt angeworben. Ben Summerskill, Vorsitzender von Stonewall, glaubt, dass der Geheimdienst nun Homosexuelle umwirbt, weil auch sie mehr "Erfahrung darin haben, mit Leuten umzugehen, die anders sind", als die Mehrheit der Gesellschaft.

Ein ungenannter Sprecher, der offenbar MI5 vertrat, stimmte zu: "Der Dienst strebt an, das ganze Spektrum der britischen Gesellschaft widerzuspiegeln, der er dient." Auch Summerskill glaubt allerdings nicht an eine rasche Transformation. "Ich bin optimistisch, dass das Personalprofil von MI5 dem des modernen Britannien ähneln wird", meinte er. Wann? "In zehn bis 15 Jahren."

© SZ vom 19.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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