Gauner-Karriere:Manieren für Millionen

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Im feinen Zwirn plündert Juan Carlos Guzman Luxushotels. Nun ist der Gentleman-Gangster wieder aus dem Gefängnis geflohen.

Von Peter Burghardt

Zur internationalen Kriminalgeschichte hatte Kolumbien bereits einigen Beitrag geleistet. Der 1994 auf der Flucht erschossene Pablo Escobar bleibt der berüchtigtste Drogenbaron aller Zeiten, außerdem gibt es in dem Andenland einen legendären Guerillero mit Spitznamen Tirofijo, "Sicherer Schuss", und viele andere Schwerverbrecher. Nun wird ein junger Gauner berühmt, der aus dem Norden Südamerikas auszog, um in den besten Hotels der Welt reiche Kunden zu bestehlen. Er macht das so kunstfertig, dass er statt in die Galerie gemeiner Krimineller eher in die Linie kolumbianischer Exporte wie dem Schriftsteller Garcia Marquez, dem Maler Botero, der Sängerin Shakira oder dem Rennfahrer Montoya zu passen scheint. Das Politmagazin Semana beförderte die Geschichte des Juan Carlos Guzman zur Aufmachung und überschrieb sie mit einem Filmtitel: "Atrapame si puedes." Catch me if you can.

Juwelen-Dieb, Playboy-Räuber, genialer Hochstapler: Der sagenhafte Juan Carlos Guzman. (Foto: N/A)

Das Gangsterstück stammt von Steven Spielberg, die Hauptrolle spielt Leonardo DiCaprio, und Guzman scheint sich daran zu orientieren. Zwar wird die Polizei gelegentlich seiner habhaft, aber er entwischt mit Leichtigkeit und richtet zwischendurch die erstaunlichsten Dinge an. Zuletzt flüchtete der 29-Jährige Anfang Juni aus einem offenbar recht freizügigen Gefängnis in der englischen Grafschaft Kent. Es hieß, er habe einen Termin beim Zahnarzt vorgetäuscht. Jedenfalls rätseln inzwischen auch die britischen Zeitungen über den "Juwelen-Dieb" (Times) oder den "Playboy-Räuber" (Guardian), während die Behörden ihren interkontinentalen Haftbefehl erneuert haben.

Gesucht wird der sagenhafte Guzman in Europa, Amerika und Asien, er kann aber zur Zeit auch überall sein. Er ist global tätig und entsprechend schwer zu fassen.

Seine Karriere hatte bereits mit einer bemerkenswerten Reise begonnen. 1992 flog der damals minderjährige Globetrotter im Fahrwerk einer DC-8 von Bogota nach Miami und überlebte eisige Kälte und dünne Luft. Nach wiedererlangtem Bewusstsein behauptete er dann in Florida, Vollwaise und 14 Jahre alt zu sein, dabei war er 17 und vor Stiefvater und geprügelter Mutter in der Region Valle bei Cali geflohen. Auch erfand der begabte Schwindler bereits damals einen falschen Namen, inzwischen benutzt er mehrere davon sowie einen spanischen und einen russischen Pass. Nach dem amerikanischen Abenteuer bekam Guzman alias Rosales alias Vives zwar allerlei Spendenangebote gutmütiger Menschen, die dem armen Kind helfen wollten. Doch er entschied sich für die Laufbahn des professionellen Betrügers.

In einem guten Jahrzehnt soll der geniale Hochstapler mehr als eine Million Dollar in bar und mit geklauten Kreditkarten erbeutet haben. Dazu kamen Anzüge und Schmuck, die ihm bei seinen Raubzügen von erheblichem Nutzen sind. In feinem Tuch besucht er Bars und Lobbys von Luxusherbergen, um diskret lohnende Gäste sowie deren Rechnungen zu studieren. Bei Portiers und Zimmermädchen verschafft sich Guzman schließlich Zutritt zu Zimmern und Safes, wobei ihm dem Vernehmen nach außer tadellosen Manieren auch ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse und schauspielerisches Talent zugute kommen. So überzeugt der Autodidakt in fließendem Englisch, Französisch oder Russisch das Personal, dass er gerade seinen Schlüssel oder Tresorcode vergessen habe. Erfolgreich war der freundliche Plünderer auf diese Weise unter anderem in den USA, in Kanada, Mexiko, Japan, Thailand, Russland - und vor allem in Paris und London.

In der britischen Hauptstadt bat der Gentleman besonders ausgiebig zur Kasse. Guzman bediente sich an den besten Adressen, an denen er gerne in einem gemieteten Bentley mit Chauffeur vorfuhr - Mandarin Oriental, Savoy, Lanesborough, Grosvenor House, Dorchester. Dort gab er sich aus als Khalid al-Sharif, Geschäftsmann aus Bahrein, und erbeutete umgerechnet 42.000 Euro cash, teure Uhren - sowie eine Lederjacke von Valentino im Wert von 3000 Euro, die er bei seiner letzten Festnahme trug. Dafür verantwortlich war Detective Sergeant Andy Swindells von Scotland Yard, der ihn nach einer anderen Verhaftung schon einmal verhört und in der Oxford Street zufällig wieder erkannt hatte. Guzman sei makellos gekleidet, charmant und polyglott, berichtete Swindells, der nun wieder fahndet. "Er ist plausibel, glaubwürdig und unglaublich versiert." Es klingt nach ehrlicher Bewunderung.

© SZ vom 23.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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