Freddy Quinn:Die Legende lebt

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Manchmal besiegt der "große Sänger, Schauspieler, Entertainer" sogar die Beatles - nun hat er im Retro-Rausch zurück ins Fernsehen gefunden, aber nicht als Seemann.

Freddy Quinn: Oh, die Süddeutsche! Die echte authentische Süddeutsche Zeitung bemüht sich darum, einen älteren Herrn aus Hamburg zum Thema Fernsehen zu befragen?

So kennt ihn jeder, mit Seemannsjacke, -hemd, -mütze und "Junge, komm bald wieder" auf den Lippen. (Foto: Foto: AP)

SZ: So ist es. Sie drehen jetzt wieder fürs TV, spielen in einer ORF-ARD-Komödie namens Felice einen kauzigen Nachtwächter, der Ottensen heißt.

Quinn: Wieso wieder? (ärgerlich) Ich habe die ganzen Jahre immer gedreht!

Freddy Quinn, der "große Sänger, Schauspieler, Entertainer", der Mann, der seit den fünfziger Jahren von Heim- und Fernweh singt, bekomme keine Angebote mehr, war im Sommer in der Boulevardpresse zu lesen. "Er war ganz oben", hieß es dramatisch, und müsse nun "um seine Existenz fürchten". Quinn, 72, seit beinahe 50 Jahren "relativ erfolgreich, das darf ich wohl sagen", wird am Telefon sehr ärgerlich bei diesem Thema. Und dann das Gerede um sein Comeback! "Ich war nie weg, wieso soll ich also jetzt zurückkommen?"

Die Nachfrage, was er denn immer so gedreht habe, die ganzen Jahre, findet er beleidigend. Man müsse sich schon ein bisschen vorbereiten, wenn man ihn interviewen wolle. Und vor allem solle man ihm genauer zuhören, sagt er. Journalisten - "manche natürlich nur, verstehen Sie mich richtig" - arbeiteten einfach oberflächlich. "Ich habe nur gesagt, dass ich keine Rollen mehr bekomme, die mir Spaß machen und die mich fordern."

Ein Glück für ihn, dass die Medien-Maschinerie nach seiner vermeintlichen Klage, in keiner einzigen TV-Serie mehr vertreten zu sein, längst ins Rollen gekommen war. Es wabert in diesen Wochen ja ohnehin der große Retro-Trend durchs deutsche Fernsehen, dem in der Gegenwart so wenig einfällt, was zu allerlei Shows über die Jahrzehnte geführt hat. Wie kann man bei den anstehenden allgemeinen Ausgrabungsarbeiten an Freddy Quinn vorbei kommen, dem Mann, der Junge, komm bald wieder sang? Karl Dall zum Beispiel tauchte auf der Welle des quotenträchtigen kollektiven Erinnerns wieder auf; ebenso Katarina Witt mit ihrem Erinnerungsreigen über die alte DDR.

Der WDR veranstaltet "große Klassentreffen". Nostalgie überall. Nach der Meldung also, er "sitze zuhause, drehe Däumchen und weine" (Quinn), schnackelte es zuerst bei ARD und ORF. Man rief in Hamburg an. Denn dass die Seemannslegende Freddy das Zeug zum Kult hat, war spätestens klar, als er im September in der ARD-Gala Deutschland wählt den Jahrhundert-Hit mit La Paloma auf Platz 1 landete. Vor Yesterday von den Beatles.

SZ: Sie werden für Ihre Rolle in Felice stolz als "Schlagerlegende Freddy Quinn" angekündigt.

Quinn: Ich bin doch kein Traumtänzer! Denken Sie im Ernst, dass ich nicht wüsste, dass die mich nur engagiert haben, damit der Marktanteil einen Prozentpunkt höher ausfällt? Bei meiner Tournee im vergangenen Jahr waren die Hallen zu 96 Prozent ausgelastet.

SZ: Und nun spielen Sie in Felice eine Rolle, die Sie fordert?

Quinn: Ich habe sie ja nicht angenommen, weil ich sonst nur überlege, was ich morgen zum Frühstück essen soll. Mir macht es Spaß, einen Nachtwächter zu spielen. Aber, glauben Sie mir: Ich würde wirklich keinen Seemann und keinen Sänger spielen. Warum soll ich ins Image-Fettnäpfchen treten?

SZ: Sie meinen: nie mehr Junge, komm bald wieder?

Quinn: Ich sage das ganz sachlich und nicht bösartig: Die Fernsehproduzenten sind ein bisschen oberflächlich. Herr X spielt immer einen Verbrecher, Frau Y ein leichtes Mädchen, Herr Z den Kommissar. Ich bin nie zur See gefahren.

Freddy Quinn wurde nun also abseits aller Klischees als Nachtwächter mit Dreitagebart und Nickelbrille besetzt. Er dreht in Hamburg. "Junge komm(t) bald wieder", kalauerte Bild: "Rückkehr aus der Einsamkeit: Jetzt hat's endlich geklappt! Der Entertainer dreht wieder, nach 20 Jahren Film-Zwangspause." An Quinns erstem Arbeitstag standen 25 Fotografen Schlange. Die Legende lebt.

So etwas kommt immer gut an, dachte sich daraufhin wohl die Redaktion von Menschen bei Maischberger (wie Felice eine ARD-Produktion) und lud Freddy Quinn am Dienstagabend an den dunklen Holztisch der Interviewerin Sandra Maischberger. Die begrüßte in ihrer Sendung "drei starke Frauen" sowie eine "Legende", die nach 20 Jahren wieder vor der Kamera stehe. Freddy Quinn, noch im Off, dürfte das sehr ärgerlich gemacht haben. Und dann setzte Maischberger dem ungeliebten Thema TV-Zwangspause noch eins obendrauf: Die geladene Alice Schwarzer könne man eigentlich auch als Legende bezeichnen, erklärte sie - wäre sie nicht so lebendig.

Im Gegensatz zu Freddy Quinn, dachte der Zuschauer den Vergleich zu Ende. Der Mann, der kein Seemann mehr sein will, sagte wenig später sarkastisch, er sei die Legende, die keine Zukunft habe. "Oh, habe ich Sie beleidigt?", fragte Sandra Maischberger. "Nein", erwiderte Freddy Quinn, er sei schließlich immer noch für ein paar Gags gut. Woraufhin er ein Streichholzbriefchen aus seiner Jackentasche zauberte, auf dem zu lesen stand: "F. Quinn, nonsmoker". Den Hölzchen hatte er die Köpfe abgezwickt. Man habe ihm immer wieder vorgeworfen, ein sturer Bock zu sein - nun tue er alles, um diesem Vorurteil entgegenzuwirken.

Bei anderen Gelegenheiten hat er schon einmal Dollar-Blüten verschenkt. Die etwas unbescheidene Aufschrift: "In Quinn we trust."

(SZ vom 6.11.2003)

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