Frauen in Afghanistan:Sexpflicht im Gesetz

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Weltweites Entsetzen: Kurz vor den Wahlen in Afghanistan hat Regierungschef Hamid Karsai ein Gesetz unterzeichnet, das Frauenrechte auf einen Stand zurückschraubt, der selbst den Taliban gefällt.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat vor kurzem ein Gesetz unterzeichnet, dass die Rechte der Frauen seines Landes offenbar dramatisch beschneidet. Nach Ansicht von Menschenrechtlern werden ihnen nun noch weniger Rechte eingeräumt als unter den Taliban, schrieb die britische Zeitung Guardian bereits am Dienstag. Es legalisiere unter anderem die Vergewaltigung innerhalb der Ehe.

Hamid Karsai während einer Veranstaltung zum Weltfrauentag am 8. März: Rückschritte Richtung Taliban (Foto: Foto: AFP)

Offiziell soll das Gesetz das Familienleben von Schiiten in Afghanistan regeln, die etwa ein Fünftel der Bevölkerung in Afghanistan ausmachen. Ohne große parlamentarische Debatten wurde es von Karsai unterschrieben - im Gesetzblatt veröffentlicht ist es bisher allerdings nicht, und damit auch noch nicht in Kraft getreten.

Hintergrund der schnellen Unterschrift ist offenbar der Versuch des Regierungschefs, kurz vor der Wahl in seinem Land auf Stimmenfang zu gehen und damit das erzreligiöse Lager zu besänftigen. Nach Informationen des Spiegels reagierten Taliban-Sprecher positiv auf das Vorhaben, es ähnele des Regeln der Taliban.

Das Gesetz ist eine Absage an jeden Versuch, Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung in Afghanistan zu verwirklichen. Unter anderem sollen Ehefrauen damit dazu gezwungen werden, mindestens alle vier Tage mit ihrem Mann zu schlafen. "Solange der Mann nicht auf Reisen ist, hat er jede vierte Nacht das Recht auf Geschlechtsverkehr mit seiner Frau", bestimmt Artikel 132 des Gesetzes zur Regelung des Familienlebens unter den Schiiten. "Außer wenn die Frau krank ist oder irgendeine Krankheit hat, die sich bei Geschlechtsverkehr verschlimmert, ist die Frau verpflichtet, den sexuellen Bedürfnissen ihres Mannes eine positive Antwort zu geben", heißt es weiter.

Der Frau wird offenbar ebenfalls ein Recht auf sexuelle Befriedigung zugestanden, allerdings werden an dieser Stelle ganz andere Zeitvorgaben genannt: Der Mann solle höchstens vier Monate am Stück enthaltsam leben.

Nach Artikel 133 können Ehemänner ihre Frauen von unnötiger Beschäftgung abhalten. Und auch wenn Frauen das Haus verlassen wollen, müssen sie zuerst die Erlaubnis des Ehemanns einholen.

Das von Karsai durchgepeitschte Gesetz stößt weltweit auf scharfe Kritik. Damit würden Frauenrechte untergraben, die nach dem Sturz des islamischen Taliban-Regimes im Jahr 2001 mühsam errungen worden seien, sagte die oppositionelle Abgeordnete Fausia Kufi in Afghanistan. Kritikerinnen wie die Abgeordnete Schinkai Karochaid warnten vor ernsthaften Rückschritten. So würden Verheiratungen neunjähriger Mädchen möglich gemacht.

Der UN-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM) warf der Regierung vor, "die Vergewaltigung einer Frau durch ihren Ehemann zu legalisieren". Das Gesetz bedeute eine vielfache Verletzung von Menschenrechten.

Karsai gerät unter Druck. Ungewöhnlich direkt griffen Politiker das Thema bei einer Afghanistan-Konferenz in Den Haag auf. Der finnische Außenminister Alexander Stubb forderte etwa eine Stellungnahme der afghanischen Delegation zu den "erschreckenden Meldungen". Hillary Clinton, so schreibt der Guardian, habe Karsai in einem privaten Gespräch konkret darauf angesprochen. Und öffentlich diktierte sie: "Das ist ein Themengebiet, dass uns mit Sorge erfüllt." Ihre Botschaft sei "klar": Die Rechte von Frauen seien ein zentrales Anliegen der Außenpolitik der Obama-Regierung.

Auch in Deutschland sorgt das Gesetz für Aufregung: Bayerns Europaministerin Emilia Müller (CSU) bezeichnete das Gesetz in der Bild-Zeitung als "inakzeptabel". Es verkörpere "einen Rückfall Afghanistans ins Mittelalter. Die afghanische Regierung verhöhnt damit die internationalen Hilfsbemühungen. Von Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordert sie Aufklärung und internationalen Druck auf Karsai.

Öffentlich gab es keine Äußerung von Karsai. Ein Sprecher Karsais sagte der Agentur AP lediglich, der Präsident habe die Vorwürfe gehört und "schaut sich die Sache an".

© sueddeutsche.de/AP/Reuters/grc/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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