Folgen des Rauchens:"Als würde täglich ein Jumbo abstürzen"

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Rauchen ist ungesund - das weiß jedes Kind. Jedes? Trotz aller Warnungen hängt heute die Hälfte aller Jugendlichen am Glimmstengel, die damit die Patienten von morgen sind. Professor Peter Drings von der Thoraxklinik Heidelberg will gegensteuern und klärt Schulklassen mit drastischen Methoden auf.

Von Christian Minaty

sueddeutsche.de: Sie laden Schulklassen in Ihre Klinik ein und lassen Lungenkrebs-Kranke zu Wort kommen: Kann nur so etwas die Kids vom Rauchen abhalten?

"Die Interessen der Tabakindustrie werden wichtiger genommen als die Gesundheit": Professor Peter Drings konfrontiert Jugendliche mit Leidensgeschichten seiner Patienten. (Foto: Foto: privat)

Peter Drings: Wir übertragen für die Schüler eine Lungenspieglung live aus unseren Untersuchungsräumen. Dort können wir vorhandene Tumore allen deutlich sichtbar machen.

Außerdem hören die Kinder Leidensgeschichten unserer Patienten: Einmal war ein Mann da, 42 Jahre alt. Der hatte mit 15 angefangen zu rauchen und erst kürzlich Magenbeschwerden bekommen. Er ist so stark abgemagert, dass er sich Kindergrößen bei Kleidung kaufen muss. Mit seinen Raucherbeinen kann er kaum noch laufen. So etwas beeindruckt schon die Kinder, die mit 12 bis 14 Jahren gerade im Raucher-Einstiegsalter sind.

sueddeutsche.de: Aber nun werden schon seit Jahren im Biologieunterricht Fotos von Teerlungen und Raucherbeinen gezeigt. Der mahnende Zeigefinger hat wenig Wirkung gezeigt.

Drings: Wenn man Jugendlichen sagt, dass sie in 20 Jahren krank durchs Rauchen werden, interessiert das keinen. Wir aber demonstrieren die gesundheitlichen Schäden unmittelbar und können uns vor Anfragen gar nicht mehr retten. In vier Jahren haben wir rund 20.000 Schüler durch unsere Klinik geschleust.

Tatsächlich hat das Rauchen zugenommen. Vor allem bei jungen Mädchen, die damit abnehmen wollen. Das glauben die wirklich! Zigaretten gehören einfach zum Lebensstil: Überall wird gequalmt - ob in der Disko oder auf dem Schulhof. Man darf aber nicht allein der Schule die Schuld dafür in die Schuhe schieben.

Großen Einfluss auf die Kinder haben hauptsächlich die Eltern. Wenn sie rauchen, greift der Nachwuchs oft zum Glimmstengel. Meine beiden Kinder rauchen nicht. Vermutlich weil ich ihnen dauernd so schlimme Dinge von meiner Arbeit erzählt habe.

sueddeutsche.de: Ich stelle mir vor, ich bin 13 und in einer coolen Clique, in der jeder raucht. Wie soll man da abstinent bleiben?

Eine Raucherlunge mit Teerablagerungen. (Foto: Quelle: Thoraxklinik Heidelberg)

Drings: Der Gruppenzwang ist enorm. Aber genau den müssen wir nutzen - und zwar positiv! Wir brauchen mehr jugendliche Helden, Sportler wie etwa Steffi Graf, die man für Anti-Raucher-Kampagnen gewinnen kann. Man muss cool sein können auch ohne zu rauchen.

sueddeutsche.de: Zigaretten bekommt man derweil weiterhin an jeder Straßenecke...

Drings: Deutschland hat 800.000 Zigarettenautomaten, soviel wie in keinem anderen Land. Die müsste man abschaffen, denn 80 Prozent der jugendlichen Raucher bedienen sich daraus. Außerdem bin ich für ein komplettes Werbeverbot der Tabakindustrie. Und der Preis pro Schachtel Zigaretten sollte von jetzt rund 4,50 Euro verdoppelt werden. Es gibt Studien, die zeigen, dass Jugendliche das dann nicht mehr bezahlen können.

Doch der Staat verdient am Rauchen. Das ist die Schizophrenie unserer Gesellschaft. Vor atomarer Strahlung oder BSE fürchten sich alle, das ist etwas, was man nicht fassen kann. Dort gibt es hohe Auflagen. Die gefährlichen Zigaretten aber sind frei verkäuflich.

sueddeutsche.de: Einer ihrer Ärztekollegen hat mal Nikotin mit Heroin verglichen. Was richtet der Rauch im Körper wirklich an?

Drings: Wir finden im Tabakrauch 50 krebserregende Substanzen, etwa Benzpyren. Das Nikotin ist nicht das Hauptgift, aber es macht süchtig. Kurzfristig können Sie durch Rauchen eine Bronchitis bekommen; langfristig Lungenkrebs, Gefäßschäden oder einen Herzinfarkt.

Die Diagnose Lungenkrebs bedeutet eine lediglich 15-prozentige Überlebenschance. Auch ohne Krebs sterben jährlich Tausende Raucher an Lungenversagen. Die Lunge ist überbläht, das heißt, viele Lungenbläschen sind geplatzt. Zum Schluss sitzen Sie nur noch im Rollstuhl und hängen an der Sauerstoffflasche.

110.000 Tote gibt es durch das Rauchen pro Jahr. Das entspricht einer Stadt wie Heidelberg oder als wenn jeden Tag mindestens ein mit 300 Passagieren besetzten Jumbo abstürzt.

sueddeutsche.de: Mit welchen Behandlungskosten rechnet die Ärzteschaft?

Drings: Raucher sterben ja nicht gleich. Wir rechnen daher mit einer gigantischen Kostenwelle von rund 40 Milliarden Euro durch Raucher-Krankheiten. Dem gegenüber stehen nur rund elf Milliarden Euro Einnahmen durch die Tabaksteuer.

sueddeutsche.de: Kann man Rauchen vielleicht durch viel Obst und Sport kompensieren?

Drings: Nein. Oftmals wird die Wirkung des Rauchs sogar noch verstärkt und zwar dann, wenn man Alkohol trinkt. Denken Sie nur an hochprozentige Rachenputzer. Dann wird die Schleimhaut im Mund angegriffen und Schadstoffe im Rauch können besser eindringen. Mundhöhlenkrebs kann die Spätfolge sein. Die Leber wird zudem durch Alkohol von der Entgiftung des Rauchs abgehalten.

sueddeutsche.de: Wieviel Zigaretten darf ich denn nun rauchen, um nicht gleich sterbenskrank zu werden?

Drings: Man sollte gar nicht erst anfangen. Gerade Jugendliche paffen erst ein paar Zigaretten. Schließlich werden es immer mehr. Der Tabak ist sogar präpariert, damit er besser schmeckt. Teilweise ist da Schokolade drin. Mit Ammoniak wird übrigens die Suchtwirkung verstärkt. Viele Tabakmixturen sind ein Geheimnis der Firmen.

sueddeutsche.de: Wie kann man wirklich aufhören?

Drings: Nur ein Fünftel der Raucher schafft das überhaupt. Es ist vor allem eine Sache der Einstellung. Man muss sich sagen: ,Ich höre auf!' Erst dann kann einem geholfen werden. Raucherpflaster sind kein Allheilmittel und helfen allenfalls unterstützend, um den Entzug zu stoppen.

sueddeutsche.de: Was sagen Sie dazu, dass viele Ärzte selbst rauchen?

Drings: Das ist, als ob ein katholischer Priester eine Freundin hat: Es ist ein Widerspruch in sich. Der rauchende Anteil in der Berufsgruppe der Ärzte ist allerdings eher gering.

Professor Dr. Peter Drings ist ist ärztlicher Direktor der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg und Chefarzt der Abteilung Innere Medizin/Onkologie dieser Klinik.

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