Flut:Schwere Stürme über Norddeutschland

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Ein niederländischer Seenot-Kreuzer kenterte, eine norwegische Bohrinsel riss sich los, Bäume und Verkehrsschilder knickten um - und trotzdem wurde niemand ernsthaft verletzt.

Mit Orkan-Stärke ist der erste große Herbststurm des Jahres am Mittwoch über Norddeutschland gezogen. Windgeschwindigkeiten bis zu 156 Kilometer pro Stunde lösten an der Nordseeküste eine Sturmflut aus. Sturmtief "Britta" warf zahlreiche Bäume um, riss Schiffe und eine Bohrinsel los.

Selbst einen Piraten in Hooksiel hat der Sturm erschüttert. (Foto: Foto: ddp)

Der Fährverkehr zu mehreren Nordseeinseln musste eingestellt werden, Hamburg war am Morgen sogar von einer schweren Sturmflut bedroht. Der Schwerpunkt des Sturms lag nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den frühen Morgenstunden im Bereich der Nordseeinseln, wo er teilweise mit einer Zwölf auf der Beaufort-Skala die Stärke eines Orkans erreichte.

Die Höchstgeschwindigkeit von 156 Kilometern pro Stunde wurde auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog gemessen. "Im Verlauf des Morgens zog der Sturm dann über die Küste auf das Binnenland und erreichte sogar in Leipzig und Hannover noch rund 90 Kilometer pro Stunde", erklärte Jens Hoffmann, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst.

Geringe Sachschäden

Trotzdem kam es in der Region überwiegend zu geringeren Sachschäden. An der Westküste von Niedersachsen und Schleswig-Holstein entwurzelte der Sturm zahlreiche Bäume, deckte Dächer ab und knickte Verkehrsschilder um.

In Wilhelmshaven wehte der Sturm mehrere Müll- und Toilettencontainer ins Meer, ein Strandbad wurde unterspült. Bei Norden im Landkreis Aurich mussten zwei bis zum Hals im Wasser stehende Rinderherden mit Booten von Weiden am Außendeich gerettet werden, am Morgen waren die Fährverbindungen zu mehreren Nordseeinseln zunächst eingestellt worden.

Personen kamen nach Angaben der Polizei in Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht zu Schaden, auch wenn mehrere Menschen mit ihren Wagen auf umgestürzte Bäume auffuhren. In Hamburg wurden nach Angaben der Feuerwehr zwei Menschen durch herunterfallende Gegenstände leicht am Kopf verletzt.

Hamburg von Sturmflut verschont

Insgesamt sei die Sturmflut in Hamburg glimpflich abgelaufen, sagte der Leiter des Hamburger Katastrophenschutzes, Gerhard Weisschnur.

Das Hochwasser erreichte demnach um kurz vor 10.00 Uhr einen Stand von 4,88 Meter über Normalnull - weitaus weniger als die zunächst angekündigten 5,90 Meter. Am frühen Morgen hatten die Behörden noch mit der schwersten Sturmflut seit 1999 gerechnet und sich auf die Sperrung des gesamten Hamburger Hafens vorbereitet.

Die Speicherstadt und einige tiefer gelegene Gebiete am nördlichen Hamburger Elbufer, wie der Fischmarkt, waren teilweise überflutet, die Polizei sperrte Teile des Hafens für den Autoverkehr. Im Hamburger Hafen riss sich ein Containerschiff los, konnte aber mit Hilfe eines Schleppers wieder gesichert werden, berichtete die Feuerwehr. Sie rückte nach eigenen Angaben rund 30 Mal aus, um umgestürzte Bäume zu zersägen und Hausdächer zu sichern.

Vier Seenot-Retter geborgen

Auch auf See sorgte der Sturm für Zwischenfälle. Vor der ostfriesischen Insel Borkum war in der Nacht ein 100 Meter langes Küstenmotorschiff nach einem Ausfall der Ruderanlage in Seenot geraten. Sowohl die Besatzung des Schiffes als auch vier Seenotretter konnten nach Angaben der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) geborgen werden.

In der Nordsee riss das Unwetter eine norwegische Bohrinsel von einem Schlepper los. Die "Bredford Dolphin" treibe mit 75 Menschen an Bord in der Nordsee, erklärte ein Sprecher der norwegischen Küstenwacht, Eirik Walle. Alle an Bord seien wohlauf, ein Schiff der Küstenwacht sei auf dem Weg zu ihnen, sagte Walle.

Für den Nachmittag erwartete der Deutsche Wetterdienst noch einige schwere Stürme im Nordosten Deutschlands, vor allem auf den Inseln Rügen und Usedom. Das Schlimmste sei jedoch überstanden. "Das Orkan-Tief Britta zieht nach Norden ab, und damit ist für den Nachmittag keine Unwetter-Warnung mehr nötig", sagte Meteorologe Hoffmann.

Allerdings mache sich in ganz Deutschland Kaltluft breit, die für erste frühwinterliche Einbrüche sorgen werde. Am Abend und in der Nacht könne am Rand der Alpen sogar mit Schneefall und Nachtfrost gerechnet werden.

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