Flugsicherheit:Die Himmelsfeger

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Vogelschwärme in Italien haben schon Flugzeuge zu Notlandungen gezwungen. Dressierte Falken sollen das Sicherheitsproblem lösen. Sie werden weltweit als Himmelsfeger eingesetzt.

Stefan Ulrich

Italiens Verbraucherschutzverband "Codacons" ist fassungslos: "Die Dynamik des Unfalls ist uns völlig unbegreiflich." Man verstehe nicht, wie im Jahr 2008 kleine Vögel ein großes Flugzeug zur Notlandung zwingen können. Genau das ist diese Woche auf dem römischen Flughafen Ciampino passiert.

Falken für die Flugsicherheit: Um Zusammenstöße zwischen Maschinen udn Vogelschwärmen zu vermeiden, sollen abgerichtete Raubvögel weitweit auf Airports den Himmel "frei fegen". (Foto: Foto: AFP)

Eine aus Frankfurt kommende Boeing durchquerte beim Landeanflug einen Schwarm Stare. Einige Vögel gerieten in die Triebwerke, die Passagiere hörten einen Knall und sahen Flammen. Dank guter Reaktion der Piloten blieben die Insassen unverletzt. Dafür wurde die Boeing schwer beschädigt und blockierte zwei Tage lang den Airport.

"Mit Falken wäre das nicht passiert", sagt Falkner Aldo Miconi aus dem norditalienischen Udine. Ein einziger der Raubvögel könne binnen drei Minuten den Himmel über mehreren Quadratkilometern Land leer fegen.

Wenn Stare, Tauben oder Möwen den Falken aufsteigen sähen, hauten sie ab. Das machten sich viele Flughäfen, von Madrid bis Caracas, zunutze, um "Vogelschläge", so der Fachjargon, zu vermeiden. Allein auf New Yorks Kennedy-Flughafen sind zwölf Falkner tätig.

Die Landebahn als Rastplatz

Aldo Miconi war einer der ersten, der die gefiederten Vogelscheuchen auf Flughäfen zum Einsatz brachte. 22 Jahre ist es her, als sich der Flughafen Triest an ihn wandte. Das Problem: Unzählige Seemöwen nutzten die Start- und Landebahnen zur Rast, ließen sich auch durch Schreckschüsse, Warnleuchten und Ultraschall nicht verjagen.

Also bot Miconi seine Falken an. "Heute sind drei Falkner auf dem Flughafen im Dienst, vom morgens bis abends, 365 Tage im Jahr. Und das Problem mit den Vögeln ist zu 95 Prozent gelöst." Nur in einem Fall blieben abgerichtete Falken wirkungslos: Wenn Wildfalken auf dem Airport nach Mäusen jagten.

Der Einsatz der Raubvögel klingt einfach. "Der Falkner fährt mit einem Auto auf dem Flughafen herum, und der Falke begleitet ihn in der Luft", erklärt Miconi, 62. Das müsse jedoch exakt mit dem Flugbetrieb abgestimmt und der Falke gut ausgebildet sein. "Er darf ja nicht spazieren fliegen. Er muss sich wie ein Räuber verhalten, der töten will."

Tierschützern hält Miconi entgegen, seine Methode sei natürlicher als der Einsatz von Propangas-Kanonen. Miconi hat viele Flughäfen beraten. Für Venedig und Treviso etwa bildete er Falkner aus. In Italien dienen Falken heute in Städten wie Parma, Bari oder Brindisi als Himmelsfeger. Die Falknerei hat im Land Tradition. Schon Stauferkaiser Friedrich II., der meist in Süditalien regierte, schrieb 1246 das Standardwerk "Über die Kunst mit Vögeln zu jagen".

Nun erleben die Falken auf den Flughäfen eine Renaissance, weil der Vogelschlag große Probleme bereitet. Nach Angaben des amerikanischen "Bird Strike Committee" sind seit 1988 weltweit 219 Menschen bei Kollisionen von Flugzeugen mit Vögeln und anderen Tieren gestorben. Allein die Schäden für die US-Luftfahrt lägen bei 620 Millionen Dollar im Jahr.

Zwar verlaufen die meisten Crashs glimpflich. Doch immer wieder werden Rumpf, Cockpitscheiben oder Triebwerke beschädigt. Auf Mailands Flughafen Linate verunglückten 2003 zwei Piloten durch Vogelschlag tödlich. Zudem brachten Vögel in den vergangenen zehn Jahren drei Düsenjäger des italienischen Militärs zum Absturz. US-Luftfahrt-Experten nannten Stare schon "gefiederte Kugeln".

"Die sind doch nicht blöd"

In Deutschland berät der "Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr" die Flughäfen und Behörden. "Wir registrieren jährlich zwischen 550 und 750 Vogelschläge in der Zivilluftfahrt", sagt Geschäftsführer Christoph Morgenroth.

In jedem zehnten Fall werde das Flugzeug beschädigt. Zu Startabbrüchen und Sicherheitslandungen komme es selten. Morgenroth führt das auf die gute Arbeit der Airports zurück. Die achteten darauf, dass "flugsicherheitsrelevante Vogelarten" kaum Nahrung und Rastplätze fänden. Der Einsatz von Falken sei in Deutschland dagegen selten - wegen des schlechten Wetters.

Italien erprobt indes bereits den Kunstfalken. Der römische Flughafen Fiumicino testet einen "Falco Robot". Der Falkner Aldo Miconi prustet vor Lachen, wenn man ihn auf solche Roboter-Falken anspricht. "Die Vögel spannen das sofort. Die sind doch nicht blöd."

© SZ vom 14.11.2008/bre - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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