Flughäfen:Land der Pisten

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In Deutschland schießen Regionalflughäfen wie Pilze aus dem Boden - der harte Kampf um Passagiere fordert in Erfurt erste Opfer.

Christiane Kohl

Erfurt - Wer sich dem Flughafen aus der Luft nähert, hat die schönste Aussicht auf eine mittelalterliche Stadt: Rot leuchtende Ziegeldächer schmiegen sich wie gute Freunde aneinander, mittendrin thront der Erfurter Dom. Am Boden freilich herrscht weniger Eintracht. Zwischen Abfertigungshalle, Landebahn und Kontrollturm wird ein heftiger Kleinkrieg geführt - vergangenes Wochenende gipfelte er in der vorübergehenden Verhaftung des Flughafen-Geschäftsführers Gerd Ballentin.

Flughafen Erfurt: Ein Millionengrab? (Foto: Foto: dpa)

Dem Mann, einem geborenen Bayern, wird Mobbing von Mitarbeitern vorgeworfen. Überdies soll er die Passagierzahlen des Flughafens hochgerechnet haben - um Fördergelder zu erschleichen, wie die Staatsanwälte vermuten.

Ohne zusätzliche Mittel vom Staat wäre der Flughafen Erfurt nach den Annahmen der Ermittler womöglich nicht weiter ausgebaut worden. Dabei frisst das Unternehmen auch ohne geschönte Zahlen eine Menge öffentlicher Gelder: Gut 13Millionen Euro Jahr für Jahr.

Ähnlich steht es um viele andere Regionalflughäfen in Deutschland. Oftmals existieren die Pisten eigentlich nur noch Dank der Großmut ihrer Landesfürsten. "Aus wirtschaftlichen Gründen", meint Bernd Kortschak, Professor für Verkehrswissenschaften an der Fachhochschule Erfurt, "haben viele dieser Pisten eigentlich keine Existenzberechtigung als Verkehrsflughafen".

Doch der Flughafenausbau ist Ländersache, eine übergeordnete, verbindliche Bundesplanung gibt es nicht. So kommt es, dass in den vergangenen Jahren die Regionalflughäfen wie Pilze aus dem Boden schossen: Ob in Hof oder in Rostock, in Dortmund oder im mecklenburgischen Barth - überall heben mittlerweile Charter- oder Linienflieger ab.

Sonderfall Erfurt

Die Kleinflughäfen "verschlingen wahnsinnig viel Geld", meint jedoch Kortschak, "und ihr verkehrlicher Nutzen ist mehr als zweifelhaft".

Erfurt freilich gilt als Sonderfall. Nach dem Einigungsvertrag von 1990 war die Piste als einer von drei Standorten im mitteldeutschen Raum ausersehen, die man zu internationalen Verkehrsflughäfen ausbauen wollte. So wurden etwa 220 Millionen Euro in das Gelände investiert.

Während sich Leipzig-Halle schnell zu einem Luftdrehkreuz entwickelte, blieben die Passagierzahlen in Erfurt jedoch hinter den Erwartungen zurück. Und dies so sehr, dass die Flughafenleitung offenbar zur Selbsthilfe griff: Nach den Erkenntnissen der Staatsanwälte wurden die Zahlen allein im Jahr 2000 um gut 30.000 Fluggäste geschönt. Damit erreichte der Flughafen die Zahl von 500.000 Passagieren, die in einem Planfeststellungsbeschluss als Mindestmarke zum weiteren Ausbau der Piste genannt war.

Künstlich hochgerechnet

Nach den Vermutungen der Ermittler wurden die Fluggastzahlen möglicherweise auch später künstlich hochgerechnet. Geschäftsführer Ballentin stritt jedoch alles ab: Lediglich "kleine Eingabefehler" hält er für möglich.

Dem heute 62jährigen Piloten wird zudem Vetternwirtschaft vorgeworfen, so soll er zwei Werbeaufträge der Lebensgefährtin seines Sohnes zugeschanzt haben. Überdies fühlten sich Mitarbeiterinnen aus der Fluggastabfertigung von ihm gemobbt - er habe sich über ihre "kurzen Röckchen" mokiert.

Schon vor Monaten war über Unregelmäßigkeiten in Erfurt spekuliert worden. Erst als die Geschäftsleitung sich anschickte, Dokumente zu vernichten, griffen die Ermittler zu. Sie verhafteten Ballentin vom Arbeitsplatz weg, setzten ihn später aber mit Auflagen wieder auf freien Fuß.

Auch die Landesregierung, Hauptanteilseigner des Flughafens, hielt sich auffällig zurück. Dabei zahlt das Land nicht nur jährlich knapp 10 Millionen Euro Kapitaldienst für den Flughafen. Die beiden einzigen Fluglinien, die Erfurt noch ansteuern, werden zusätzlich mit etwa 3,5 Millionen Euro jährlich subventioniert.

"Noch so ein Millionengrab"

Auch die irische Ryan Air bekam zeitweise Fördermittel in Erfurt, die Billig-Airline zog es trotzdem vor, im thüringischen Altenburg zu starten: Das Einzugsgebiet der Kleinstadt, die im Dreieck zwischen Leipzig, Dresden und Jena liegt, schien ihr attraktiver.

Auch in Altenburg aber stehen Investitionen von etwa acht Millionen Euro an, weshalb vom benachbarten Flughafen Leipzig kürzlich der Vorschlag kam, die Piste ganz zu schließen. Unterdessen will Hessen bei Kassel einen Verkehrsflugplatz ausbauen, gerade mal eineinhalb Fahrstunden von Erfurt entfernt. Und in Cochstedt bei Magdeburg entsteht ein weiterer Flughafen. Noch so "ein Millionengrab", meint der SPD-Finanzexperte im Landtag von Sachsen-Anhalt, Thomas Felke.

© SZ vom 18.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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