Florenz:Runderneuerter Renaissance-Jüngling

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Die Restaurierung ist vollendet: Michelangelos David hat sich einer Beauty-Kur unterziehen müssen, denn 500 Jahre Standfestigkeit blieben nicht ohne Folgen für seine glatte Marmorhaut.

Von Henning Klüver

Die Gerüste sind gefallen, die Absperrungen abmontiert: Seit Montag haben Besucher der florentinischen Galleria dell'Accademia wieder freien Blick auf den David. Da steht er nun gespannt-entspannt (je nachdem von welcher Seite man ihn sich ansieht) auf seinem Sockel und leuchtet frisch wie nach einer Morgentoilette - aber keineswegs geschönt.

Prachtvoll und lupenrein steht er wieder da, der David von Michelangelo. (Foto: Foto: AP)

Der attraktivste Jüngling der Renaissance hatte sich einer Beauty-Kur unterziehen müssen, denn 500 Jahre Standfestigkeit blieben selbst bei einer von Michelangelo geschaffenen Skulptur nicht ohne Folgen für die glatte Marmorhaut.

Staubpartikel waren in sie eingedrungen und hatten Altersflecken geformt. Gips konnte sich bilden, und hässliche Streifen liefen den muskulösen Rücken herunter. Einen David kann man allerdings nicht so einfach abduschen.

Wissenschaftler von staatlichen Restaurierungsinstituten aus Rom und Florenz hatten in einem ersten Arbeitsgang von Herbst 2002 an unter der Leitung von Franca Falletti, der Direktorin der Galleria dell'Accademia, die Statue monatelang untersucht.

Eine digitale Messung lieferte erstmals genaueste Angaben u.a. über Größe (486 cm), Gewicht (5,6 Tonnen) und Oberfläche (19,47 Quadratmeter).

Dennoch gab es um die Art der Säuberung eine weltweite Polemik, zumal die erste Restauratorin nach ein paar Monaten im Dissens mit der wissenschaftlichen Leitung ihren Dienst quittierte. Und aus New York forderte der Kunstprofessor James Beck barsch: "Stoppt diese Verschandelung!"

Worum ging es?

Um die Alternative "nass oder trocken", also ob man den David nur mit Radiergummi und Pinsel oder auch mit in destilliertem Wasser getränkten Chinapapier reinigen dürfe. Befürchtungen, die "Nassreinigung" werde den David weiß waschen und der Aura seiner Geschichte berauben, haben sich nicht erfüllt.

Wie man jetzt in Florenz sehen kann, hat der Marmor seine Leuchtkraft zurückgefunden, und hässliche Schmutzränder sind verschwunden. Aber dennoch bleiben deutlich die Alterserscheinungen des Steins sichtbar. Von weitem gar kann nur das geübte Auge überhaupt einen Unterschied im Detail ausmachen.

Über die wissenschaftlichen Ergebnisse der Michelangelo-Kur (Kosten rund 500.000 Euro) wird am 9. Juni in Florenz eine internationale Tagung Auskunft geben. Da werden wir auch mehr über seine angeblich gefährdete Statik erfahren.

Groß gefeiert wird der Jüngling dann am 8. September. Denn genau auf den Tag vor 500 Jahren hatten die Stadtväter Michelangelos Statue, die erste überlebensgroße Aktfigur der Neuzeit, nach ihrer Fertigstellung vor dem Eingang des Palazzo Vecchio, dem politischen Zentrum von Florenz, aufstellen lassen (erst 1873 kam er zum Schutz ins Museum und wurde auf der Piazza durch eine Kopie ersetzt).

Das war damals ein Schock, wie ihn nur zeitgenössische Kunst auslösen kann. Wie sich Kunst von heute zu der Moderne vor 500 Jahren stellt, werden wir schließlich im November in einer Ausstellung in der Accademia rund um den David sehen. Mit Arbeiten von Georg Baselitz, Luciano Fabro, Jannis Kounellis, Robert Morris und Thomas Struth, die eigens für diesen Zweck geschaffen werden.

Keine Frage: Der David wird auch in dieser Gesellschaft bella figura machen.

© SZ vom 25.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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