Feuerteufel in Italiens Hauptstadt:Der Sommer des Nero

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Seit Anfang Juli haben Unbekannte in Rom mehr als 270 Autos abgefackelt. Eine heiße Spur hat die Polizei noch immer nicht.

Stefan Ulrich

Die Stadt brennt, immer wieder, an verschiedenen Stellen und stets des Nachts. Schwarzer, stinkender Qualm steigt dann aus den gelblich beleuchteten Straßen. Manchmal lassen Detonationen die Anwohner aus dem Schlaf hochschrecken. Dann bersten schon einmal die Fenster bis hoch zum dritten Stock, und die Flammen züngeln an den Fassaden der Palazzi empor. Die Römer sprechen bereits vom "Sommer des Nero".

Doch es ist kein größenwahnsinniger Kaiser, der am Tiber zündelt, und es sind auch keine Terroristen, wie die Bürger anfangs fürchteten. Offenbar sind diesmal nur ganz "gewöhnliche" Brandstifter am Werk.

Seit Anfang Juli haben die Pyromanen bereits 270 Autos und Motorräder angesteckt. Meist schütten sie Benzin über Dach, Motorhaube und Reifen, werfen ein brennendes Zündholz hinterher und verschwinden rasch in der Dunkelheit. In einer der schlimmsten Nächte, der zum 2. August, brannten allein 43 Autos aus. Stadt, Polizei, Carabinieri und Feuerwehr richteten einen Sonderstab ein und teilten - zur leichteren Überwachung - das ganze Stadtgebiet schachbrettartig auf. "Trotz der Bedrohung durch Terroristen haben wir soweit irgendwie möglich alle Kräfte mobilisiert", versicherte ein Carabinieri-Offizier den Bürgern.

Zivilpatrouillen und Hubschrauber

Nachts streifen nun Zivilpatrouillen durch die Viertel, um abzuschrecken und womöglich Täter auf frischer Tat zu ertappen. Zudem kreist ein Hubschrauber vom Typ Agusta AB412 tief über den Dächern der Stadt. Er ist mit Suchscheinwerfern, Infrarotsensoren und einer Spezialkamera bestückt, die ständig Bilder in das Lagezentrum der Polizei übermittelt. Bürgermeister Walter Veltroni rief alle Römer zur Wachsamkeit auf und bat nachdrücklich, jeglichen Verdacht zu melden. Die postfaschistische Alleanza Nazionale erwägt Bürgerpatrouillen, doch das stößt bei den Behörden auf wenig Begeisterung.

Große Fahndungserfolge blieben bislang aus. Vier Verdächtige wurden verhaftet, zuletzt ein 19 Jahre alter, nicht vorbestrafter Student. Die Aussagen lassen eher auf Nachahmungstäter schließen. "Wir wollten mal sehen, was passiert, und uns wichtig fühlen", lautet in etwa die Botschaft der Brandstifter. Die Ermittler gehen davon aus, dass verschiedene Banden und Einzeltäter die Brände legen. Am problematischsten seien mittlerweile die Nachahmungstäter, sagte Alberto Intini, der Chef des mobilen Einsatzkommandos der Stadt, der Zeitung La Repubblica. Sie handelten aus dem Wunsch heraus, "Wachleute und Polizisten anrücken zu sehen und am nächsten Tag darüber in den Zeitungen zu lesen".

Die Arbeit der Fahnder wird dadurch nicht leichter, dass die Brandherde über das ganze Stadtgebiet verstreut sind. Die Täter zündeln im noblen Parioli-Viertel oder auf dem Aventin ebenso wie in weiter außerhalb gelegenen, einfachen Vierteln. Die Spur der Verwüstung ist unübersehbar. So konnten die Gäste eines feinen Hotels in der Via Pio IV. in Vatikannähe tagelang eine römische Ruine der anderen Art bestaunen - das ausgebrannte Skelett eines Kleinwagens. "Johnny Benzina", wie die Römer den unbekannten Feuerteufel mittlerweile nennen, hatte direkt vor dem Hotelpark zugeschlagen.

© SZ vom 09.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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