Fernsehen:Wenn der Landarzt liebt

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Mit den "Albertis" soll die deutsche Familienrealität im ZDF Einzug halten. Mit dem Zweiten sieht man besser: Nämlich die Risse in den heilen Fassaden.

Von Christiane Langrock-Kögel

Bringt ein Sender eine neue Serie unter die Leute, beginnt mit Sicherheit das Problem mit den Lobpreisungen, die Zuschauer animieren sollen. So ist man auch beim ZDF zum Start der Abendattraktion Die Albertis gewiss, "die Familienserie des Jahres" zu lancieren.

Kurzfassung: Anne Alberti (Katharina Abt) ist 38 und hat das erste Kind mit 18 bekommen. Sie verlässt ihren Mann und lässt sich lieber von Landarzt Paul (Samuel Weiss) aus der Midlife Crisis lenken. Das Paar verbringt schöne Tage am Gardasee. (Foto: Foto: Hoever/ZDF)

Was aber ist anders bei den Albertis? Die einfache Antwort: Mit ihnen soll die deutsche Familienrealität im Familiensender ZDF Einzug halten. Mit dem Zweiten sieht man besser: Nämlich die Risse in den heilen Fassaden. Schon immer spiegelten TV-Serien die soziale Wirklichkeit, etwa damals in den Fünfzigern bei Familie Schölermann, wo die Hausfrau gern schöne Sachen kaufte, oder bei Familie Hesselbach (1960 bis 1965), in der Babbasche sich mit Mama stritt und schnell wieder versöhnte.

Dass der Holzwurm schon durchs Gebälk kroch, merkte man in Ein Herz und eine Seele Mitte der Siebziger, und daran konnte auch der Glanz der Guldenburgs (1987 bis 1990) im ZDF nichts ändern.

Nun also die Albertis. Sie sind kein Fall für die Schwarzwaldklinik oder das Traumschiff - sondern eine Patchworkfamilie. So heißen real existierende Kunstgebilde, die sich nach Scheidungen und Trennungen aus mehreren Rumpf- und Restfamilien zusammensetzen - und die in der Neukombination irgendwie funktionieren sollen.

Es stimmt ja auch: Was perfekt erscheint, muss nicht glücklich machen. Wo Sicherheit ist, muss keine Leidenschaft sein. Wenn die Sender bloß nicht so krampfhaft dem Anspruch hinterherliefen, "mitten ins Leben" zu greifen, also das menschliche Dasein so zu zeigen, "wie es ist und wie es jeder von uns kennt" (ZDF).

Fernsehen ist und bleibt Inszenierung. Bei den Albertis beginnt das schon mit dem Herumfrisieren an demografischen Daten: Das erste Kind haben sie mit 18 gekriegt - und die Midlife Crisis mit Ende 30. Wollte man jugendlich anmutende Schauspieler?

So ist die gerade mal 38-jährige Anne Alberti (Katharina Abt) bereits Mutter dreier Kinder, die 20, 18 und 12 Jahre alt sind. Ihr passiert, was durchaus bundesdeutscher Alltag ist: Sie verliebt sich noch mal. Verlässt ihren Mann Wolf (Marcus Bluhm) und zieht mit ihren drei Söhnen zum Neuen. Der ist - wir sind schließlich im Fernsehen - ein Landarzt. Dieser Paul Ross (Samuel Weiss) hat auch Familie: eine unzufriedene Frau (Jacqueline Macaulay) und zwei verzogene Töchter.

Erst mal müssen die alten Familien in zwei Pilotfilmen zerbrechen, bevor dann in 13 Serienfolgen die Abenteuer der neuen Patchworkfamilie erzählt werden können. Die größten Scherben werden bereits an den ersten beiden Abenden aufgelesen: Ein Guter darf schließlich nicht lange leiden. Deshalb findet der verlassene Ehemann Wolf nach einem Suizidversuch schnell ein neues Glück mit Krankenschwester Brigitte.

Und Pauls Frau Sybille stellt Autor Christian Pfannenschmidt vorsichtshalber so unsympathisch dar, dass ihr das Alleinsein nicht erspart werden muss. Die Frau hat geäußert, dass sie ihre Kinder langweilig und durchschnittlich findet. Den Fauxpas rächt das Drehbuch, indem es eine Lesbierin zu Sybille schickt.

Und die Patchwork-Albertis? Sie sitzen zwei Minuten an der Kaffeetafel vor dem Reetdachhaus, ehe sie die nächste Zerreißprobe aus dem Gartensessel quält. Annes Sohn Pavel verursacht einen tödlichen Autounfall. Pauls Tochter Anuschka wird mit Ecstasy erwischt. Annes Sohn Edward beginnt eine Affäre mit Mamas bester Freundin.

Sein kleiner Bruder entdeckt, dass er adoptiert ist und läuft weg. Und die Erwachsenen erst: Annes Papa hat Alzheimer. Sie geht mit dem Ex-Mann ins Bett. Und Pauls Ex-Frau will sein halbes Vermögen und das Sorgerecht für die Töchter.

Bei der Präsentation der Albertis auf einem alten Gutshof in Hamburg sagten die Schauspieler, Autor Pfannenschmidt habe den Ton meistens genau getroffen. Den Regisseuren Matthias Tiefenbacher, John Delbridge und Thomas Herrmann sind tatsächlich immer wieder auch schöne, wahre Momente gelungen. Etwa als sich Anne und ihr verlassener Mann Wolf zufällig im Supermarkt treffen und ihr jüngster Sohn Luis nicht weiß, wie er mit dem plötzlich aufgetauchten Vater umgehen soll. Realität kann traurig sein.

Die Albertis, ZDF, 20.15 Uhr.

© SZ vom 13.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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