Fernsehen:Pfusch am Körperbau

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Das Kölner Kopierwerk RTL macht mit "Beauty Queen" fahrlässig viele Kunstfehler.

Von Hans Hoff

Keine Angst, auch in der zweiten Folge von Beauty Queen am nächsten Dienstag ist der nackte Hintern von Carsten Spengemann zu sehen. Wieder wird der Deutschland sucht den Superstar-Ansager um sieben Uhr früh für die neue RTL-Serie unbekleidet in den Bodensee hechten. Eine stramme Leistung - denn ein paar Szenen weiter wandelt der Schönling am tief verschneiten Ufer. Es ist also Winter und der Seespringer als wahrer Beau-Frost-Mann qualifiziert.

Liebesdienst: Nach der ersten Nacht zeigt Dr. Seeberg (Carsten Spengemann) der neuen Mitarbeiterin Tanja (Ivana Kansy), welche Gesichtspartien sie doch lieber mit einer kleinen Operation korrigieren lassen sollte. (Foto: Foto: RTL)

Spengemann spielt einen Schönheitschirurgen, und die sind, glaubt man dieser Serie, quasi von Haus aus ganze Kerle. Sie sehen prima aus, fahren die teuersten Sportwagen und legen nur die schönsten Frauen flach. Natürlich wohnt der RTL-Beauty-Doktor, geil und geldgierig wie er ist, in einer futuristisch gestylten Wohnanlage mit Seezugang und hält sich einen Alligator namens Elvis, der seine Fleischhappen aber erst bekommt, wenn das zugehörige Alphatier seinen sexuellen Hunger gestillt hat.

Dazu gehört die Verführung der neuen Mitarbeiterin Tanja, um ihr nach der Liebesnacht zu zeigen, welche Gesichtspartien zu korrigieren seien. Und auch die Nähe zu Models, in deren Achsel-Schweißdrüsen der Wunderdoktor Botox spritzt, damit die keine hässlichen Flecken mehr auf Designer-Kleiderstücken produzieren.

Will man das Bild, das in diesem TV-Vierteiler von den professionellen Aufschneidern gezeichnet wird, besser verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass der Prominenten-Schnippler Werner Mang als Berater zur Seite stand. Mit dem Mann vom Bodensee gestaltet RTL so etwas wie ein televisionäres Hausarztmodell.

Zwar hängen auf den Fluren des Kommerzkanals noch keine Zettelchen, auf denen Mang leitenden Mitarbeitern Sonderkonditionen für ästhetische Eingriffe andient, aber wenn es um Fragen des optimalen Körperzuschnitts geht, fragen die Kölner offenbar zuerst bei ihm nach. Es vergeht kaum eine Woche, in der Mang nicht in RTL-Magazinen wie Explosiv seinen Senf zu irgendeiner operierten Wurst gibt.

Es verwundert deshalb kaum, dass Mang RTL seine Klinik zur Verfügung stellte; so sind des Meisters Schneideräume nun ausgiebig zu bewundern. Gern nähert sich die fliegende Kamera dabei aus der Luft, was ungelenk wirkt - so als sei die Klinik das Ziel einer militärischen Operation. Zum Dank darf Mang in jeder Folge persönlich kurz auftauchen.

In der Serie leiten zwei Schönheitschirurgen gemeinsam eine Klinik und sind so unterschiedlich, dass dramaturgisch notwendige Reibungen garantiert sind. Der Gesichtshinhalter Spengemann gibt vor, der bereits beschriebene Dr. Mark Seeberg zu sein, während der Schauspieler Jochen Horst den Professor Dr. Oskar Seeberg spielt, den zwischen Idealismus und Familienkrise pendelnden Bruder.

Im Duo arbeiten sie an der Verschönerung besser gestellter Menschen und stoßen naturgemäß auf soziale Probleme.

Inszeniert wurde, wie man es von RTL kennt: Es wird modern getan, aber altbacken gehandelt. Frauen müssen Sätze sagen wie: "Bitte lassen sie mich jetzt nicht allein", während die Ärzte Weisheiten absondern, die in der Aussage gipfeln, dass Frauen mit großen Brüsten Männer mit kleinen Nasen bevorzugen. Kaschiert wird die Biederkeit durch pseudomoderne Kamera-Kreisungen und Splitscreen-Spielereien während der OP-Szenen, bei denen Spengemann und Horst an blutigen Hautlappen herummachen.

Man versteht Beauty Queen eine Spur besser, wenn man mal einen Blick ins Programm des Bezahlsenders Premiere wirft. Dort läuft seit Anfang September bereits, was Pro Sieben gegen Jahresende zeigen wird: die Serie Nip/Tuck, die in den USA ordentliche Erfolge feiert und bei der diesjährigen Cologne Conference spielend den Weg in die Liste der zehn weltbesten Fiction-Produktionen fand.

Rein zufällig geht es bei Nip/Tuck um zwei Schönheitschirurgen. Rein zufällig ist der eine schön, geil und geldgierig und wohnt in einer futuristisch gestalteten Wohnanlage, während der andere zwischen Idealismus und Familienkrise pendelt.

Rein zufällig ist die Frau des einen unzufrieden mit ihrer alternden Haut und konsultiert den Kompagnon zwecks Beratung - so wie es in Beauty Queen passiert.

Rein zufällig geht es in beiden Serien um einen pubertierenden Jungen, der Probleme mit seiner Penisform hat. Der Zufall schreibt halt viele Drehbücher.

Beim Kölner Kopierwerk RTL will man nichts wissen vom Ideenklau und erklärt, man habe die Drehbücher schon in Auftrag gegeben, als man von Nip/Tuck noch nichts gewusst habe. Außerdem seien die Helden von Beauty Queen Brüder, die bei Nip/Tuck aber nicht; und der Atlantik vor Miami sei doch wohl kaum mit dem Bodensee zu verwechseln.

Man könnte über so etwas gnädig hinwegsehen und das Motto feiern: "Besser gut geklaut als schlecht erfunden." Aber leider ist Beauty Queen nicht mal gut geklaut, sondern nur: Pfusch am Körperbau.

Das Original ist eine Klasse für sich: Exzellent gefilmt, traumhaft geschnitten, sorgfältig ausgeleuchtet, spannend erzählt - trotz Dialoglast. Nip/Tuck vereint Eleganz und Erotik, polierte Oberfläche und tief schürfendes Drama. Wer das einmal schaut, will sofort mehr wissen von dem, was Dylan Walsh als tragischer Idealist Sean McNamara und Julian McMahon als gieriger Schönling Christian Troy in die OP-Säle treibt.

Außerdem gibt es eine Nachricht, die Carsten Spengemann schmerzen wird, die er jetzt aber einfach mal tapfer ertragen sollte: Julian McMahon muss nicht in eiskaltes Wasser. Er sieht auch trocken einfach besser aus.

Beauty Queen, RTL, dienstags 20.15; Nip/Tuck, Premiere, mehrere Termine.

© SZ vom 22.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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