Fernsehen:Das neue Menschenfänger-Format

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Ein neues Genre von Shows ist geboren: Da kämpfen Kandidaten vor Kameras um irgendwelche Jobs, die ein Vorzeigeunternehmer vergibt.

Von Hans Hoff und Hans-Jürgen Jakobs

Alles ganz logisch: Ein Unternehmer unternimmt etwas und heißt deshalb auch so. Manchmal ist er aber auch besser Unterlasser, etwa wenn er viel Zeit für TV-Sendungen aufbringen soll.

"Ich mache es nur einmal" - der Produzent John de Mol sitzt bei "Hire or Fire" nicht hinter, sondern vor der Kamera. (Foto: Foto: dpa)

Bei einem neuen Genre von Shows aus der unendlichen Welt der Unterhaltung ist das freilich ganz anders: Da kämpfen Kandidaten vor Kameras um irgendwelche Jobs, die ein Vorzeigeunternehmer vergibt. In den USA hatte der Immobilien-Mann Donald Trump (The Apprentice) damit turmhohen Quotenerfolg.

Trumps deutsches Pendant stammt aus den Niederlanden, sieht mit 49 Jahren aus wie ein Mann aus der Zigarettenwerbung und hat sein Leben hinter, nicht vor Kameras verbracht: John de Mol, erfolgreicher Produzent, der mit Menschenfänger-Formaten wie Big Brother seine Firma Endemol in der New Economy so hochjazzte, dass die spanische Telefonica Mitte 2000 das Ganze für sagenhafte 5,2 Milliarden Euro abkaufte.

Der Mitgründer hielt 25 Prozent und kassierte, blieb aber bis zu diesem April im Unternehmen. Jetzt plant er ein großes Branchen-Comeback - und ist zufällig von Montag an regelmäßig im Sender Pro Sieben zu sehen, der das gesendete Assessment Center Hire or Fire bringt.

"Es ist für mich eine ganz neue Erfahrung, Fernsehen von der anderen Seite aus zu erleben", sagt der Milliardär. Normalerweise sei er "ein bisschen Kontrollfreak" und achte bei Produktionen auf alles: "Jetzt aber weiß ich nicht mal, wie die Serie geschnitten wird."

Der Mann hatte vor zweieinhalb Jahren beim Betrachten der Castingshow Pop Idol die Idee, dass sich das Prinzip doch gut in sein eigenes Metier übersetzen ließe. Und so sieht das Konzept auch aus: Zehn Kandidaten werden ihm in den kommenden Wochen Ideen für Fernsehformate vorschlagen, und John de Mol senkt oder hebt im Büro in Amsterdam den Daumen.

Der Gewinner soll später bei Endemol in Köln arbeiten und mit de Mol kooperieren: Der will schließlich zum neuen Player der Branche werden und 2005 in Holland einen TV-Sender starten.

Sein künftiger kreativer Mitarbeiter, der die Pro-Sieben-Show übersteht, lebt seit dem 12. September in einem zweistöckigen 588-Quadratmeter-Loft in Köln-Ehrenfeld. Wenn man früher bei Privatsendern in die Verantwortung rutschen wollte, reichte es oft, als Laufbursche anzufangen. Ruckzuck war man Redakteur, Producer, Programmdirektor.

Heute undenkbar: Die Chaosbranche wurde zur Industrie - der aber originelle Konzepte fehlen. Folgerichtig wird im Publikum gesucht. "Es war schon immer meine Überzeugung, dass in der Bevölkerung Talente schlummern", sagt de Mol: "Schon vor Jahren habe ich bei Endemol gesagt: ,Pass auf, auch unsere Putzfrau kann eine tolle Fernsehidee haben.'"

Die Bemerkung, er sei telegener als die Fußball-Größe Reiner Calmund, dessen Leibesumfang jedes Fernsehbild füllt, dementiert de Mol nicht. Calmund darf vom 26. Oktober an als Big Boss und XXL-Trump bei RTL über Karrieren entscheiden. Und im Schweizer Fernsehen tritt im Frühjahr 2005 der Verleger Jürg Marquard in Traumjob - nur einer schafft es als Personalchef auf Zeit auf.

Der erste aber ist, wie so oft, John de Mol, der dem Pro-Sieben-Eigentümer Haim Saban die Mitarbeit versprochen hat.

Die Freundschaft zum Mann aus Los Angeles hänge aber nicht von den erreichten Quoten ab, sagt de Mol: "Ich habe Saban und Pro Sieben klar gesagt: Egal, wie erfolgreich Hire or Fire ist, ich mache es nur einmal." Der Sohn eines Musikers, der mit der Traumhochzeit seiner Schwester Linda de Mol die Tränendrüsen vieler Europäer stimuliert hat, prognostiziert, es werde ihm schwer fallen, jede Woche einen in die Wüste zu schicken: "Das Feuern von Angestellten hat mir noch nie Spaß gemacht."

De Mol war bei Endemol wirklich beliebt - vor allem nach dem Börsengang. Er selbst hat mit seiner Investfirma Talpa einiges gekauft: Anteile am TV-Unternehmen Viva, am Musikkonzern EMI, an der PC-Spielefirma Ubisoft, der Telekomfirma Versatel. Auch am Klub Manchester United ist der sportive Investor, der selbst gern Fußballprofi geworden wäre, beteiligt.

Es sieht sehr aufgeräumt aus im Kölner Loft von Hire or Fire. Die Kandidaten, die ein avisiertes Jahresgehalt von 300.000 Euro erreichen wollen, sind nicht da. "Sie absolvieren gerade eine Challenge", sagt Endemol-Sprecher Rainer Laux. "Challenge" ist Big-Brother-Deutsch und steht für eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt.

Die erste zum Start ist in Düsseldorf zu erledigen: Dort sollen sich die Zauberlehrlinge des John de Mol, aufgeteilt in zwei Gruppen, in die Presse bringen. Während die einen medienwirksam anbieten, symbolisch den Terrordreck von Beslan zu beseitigen, engagieren die anderen den Schlagerclown Jürgen Drews, der vor dem Düsseldorfer Arbeitsamt Fünf-Euro-Scheine verteilt. Die örtliche Journaille reportiert wunschgemäß, doch nicht für alle Kandidaten verläuft der Test gut. Zwei sind gefeuert.

Ja, es ist kein leichtes Leben im Loft. Auch die so genannten Berater Alain Midzic und Caroline Beil kommen dreimal die Woche zu Besuch. Midzic managt Deutschlands berühmteste Verona und die andere kennt man als "Hackebeil" aus dem RTL-Dschungel. "Wir sind kein Altruisten-Verein", sagt Frau Beil und ergänzt, das wirklich Böse residiere in Amsterdam: "Gemein ist John de Mol."

Getriezt werden die Möchtegern-Karrieristen schon vorher. Da wird einem unvermittelt mitgeteilt, man sei raus aus dem Spiel, um die News nach dem ersten Schock als falsch zu entlarven. "Die sind aber alle schon medienerfahren", beruhigt Laux, der eine weitere mögliche Aufgabe verrät: "Sie haben einen Apfel, eine Wasserflasche und einen Kamm. Machen Sie eine Fernsehshow draus!"

John de Mol hat noch nicht mal ein Bauchgefühl, wie seine Show einschlägt. Er weiß nur, dass am Montag auch die Endemol-Produkte Big Brother (RTL2) und Wer wird Millionär? (RTL) laufen: "Wenn es gut geht, schaffe ich zusammen 40 Prozent Marktanteil - es kann aber auch sein, dass ich mich selbst kille."

Hire or Fire, ProSieben, Montag, 20.15.

© SZ vom 25./26.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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