Fernsehen:Das lachende Dekolleté

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Die als Kichererbse bekannte Ruth Moschner berichtet jetzt aus dem "Big Brother"-Container.

Von Hans Hoff

Wäre dieser Text - grins, grins - eine Meldung, die Ruth Moschner in der RTL Show Freitag Nacht News - giggel, giggel - zu verlesen hätte, würde ihr Körper spätestens ab dieser Zeile - kicher, kicher - von unerklärlich crescendierenden Lustig-Zuckungen befallen und die - prust, prust - in der Regel ziemlich platte Pointe mündete - gacker, gacker - nach stetiger Steigerung in einer Art finalem Lachdelirium.

Währenddessen oder spätestens unmittelbar danach zoomt die Kamera sich derart an die 27-Jährige heran, dass der Blick des Zuschauers in ihr üppiges Dekolleté fallen muss. Mitmoderator Henry Gründler spielt dazu schon mal mit lechzend glasigem Unterton den Fremdenführer durch Ruths Körperwelten, der eindringlich um Beachtung bittet für "die charakteristische Doppelkuppelkonstruktion, gehalten von zwei gotischen Push-Up-Säulen".

Normalerweise gilt ja, dass Menschen, die einer Frau auf den Busen starren, entweder sehr typische Vertreter der Gattung Mann sind oder doof, wahrscheinlich aber beides.

Was aber tun, wenn man arglos fern sieht, und plötzlich wölbt sich da zum Soundtrack zweitklassiger Witze und ebensolcher Möchtegernsatiren etwas Üppiges von innen gegen die Mattscheibe?

Für Ruth Moschner stellt das so etwas wie den Normalfall dar. Auf jeden Fall kein größeres Problem. Sie nennt das mit der Kamera-Konzentration auf ihre Auslage "diese extrem übertriebene Dekolleté-Geschichte" und die Inszenierung "eine krasse Überzeichnung, was manche Männer natürlich nicht verstehen".

Hinter goldenen Gittern

War ja klar, dass es die Männer sind, die das subtile Anliegen der moderierenden Komödiantin nicht durchdringen, die in Ruth Moschner möglicherweise nur eine mehr aus der Riege der neuen Privatfernsehheldinnen sehen, die sich nehmen, was das Medium ihnen bietet.

Sie sind jung, sie sind ansehnlich, und sie brauchen das Geld. Sie betreiben Webseiten mit Foto-Galerien, in denen sie auch ihre sonst unsichtbaren Tätowierungen ausstellen. Sie haben kapiert, dass es reicht, wenn man von der Natur gut ausgestattet wurde, kaum Hemmungen hat und in der Lage ist, keck, selbstbewusst und sinnfrei daher reden zu können. Schafft man dann noch unfallfrei die Aussprache des eigenen Vornamens, ist man reif für eine eigene Show.

"Ich war schon immer blond und exhibitionistisch veranlagt, und die Leute haben mir schon immer auf die Titten gestarrt. Wieso soll ich da nichts draus machen. Wenn Männer so doof sind, das alles zu glauben, ist das doch ihr Ding", erklärt Ruth Moschner und macht gleich noch deutlich, wo sie sich verortet: "Ich war schon immer als absolute Emanze verschrien."

Dass Ruth Moschner bekennender Single mit einer Vorliebe für One-Night-Stands ist, kann man fast allen bunten Blättern mit großen Buchstaben entnehmen.

Sie streitet ab, dieses Image zu pflegen, aber sie sagt "wenn ich mal eine Beziehung habe", und es klingt als erzähle jemand von den Masern. Ruth Moschner spricht stolz von ihren "legendären Lachanfällen", was deutlich macht, dass nicht nur der Begriff lustig dringend neu definiert werden muss.

Legendär ist nunmehr alles, was mindestens dreimal und zuletzt gestern war.

Vorgestern war die legendäre Ruth übrigens noch Praktikantin beim Münchner Radiosender Energy, bevor sie 1997 für tv.München vor die Kamera durfte und ein Jahr später schon das Programm von tv.Berlin optisch veredelte.

Irgendwann hat sie dann auch vor den Spielen von Bayer Leverkusen das Stadionpublikum belustigen sollen, was aber nicht sehr lange gedauert hat, weil nach ihrer Einschätzung die Interessen der Vertragsparteien humoristisch auseinander gedriftet sind.

Seit September 2000 ist sie Mitglied im Team der Freitag Nacht News. Sie moderiert zudem für Kabel 1 eine Sendung mit Reklame-Clips, und nebenbei spielt sie kleine Gastrollen in RTL-Serien. Nächste Woche ist beispielsweise zu sehen, wie sie sich Hinter Gittern fühlt.

Möglicherweise hat sich die gebürtige Münchnerin mit der Vorliebe für Musik von Marilyn Manson ja bei den Dreharbeiten Inspirationen geholt für ihren neuen Job, der sie bis zu zwölf Monate an RTL 2 bindet.

Solange könnte bei Erfolg nämlich die neue Staffel von Big Brother laufen, die morgen beginnt. Einmal pro Woche berichtet Ruth Moschner aus dem TV-Knast für freiwillig Verhaltensauffällige und hat dabei sogar mit goldenen Gittern zu tun.

Die trennen nämlich die armen Teilnehmer, die unter freiem Himmel nächtigen müssen, von den Reichen, die sich von den Minderbemittelten bei Bedarf auch mal die Füße massieren lassen können.

Verweigern die Underdogs die Fron für die Oberschichtler, werden sie bestraft. Ihnen kann für eine Nacht der Schlafsack entzogen werden oder sie müssen etliche Stunden in einem weiß gekachelten Strafraum mit nichts außer sich selbst drin ausharren.

Zwischen Armen und Reichen leben die Normalos, die sich von Aldi-Produkten ernähren müssen und eine Wohnatmosphäre zu ertragen haben, gegen die Mutter Beimers Lindenstraßen-Einrichtung trendy wirkt.

Die zuständige Medienaufsicht hat bereits signalisiert, sie werde das dreigeteilte Sklavencamp im Auge behalten. Aber natürlich will die Firma Endemol keine Grenzen überschreiten, aber eine Fußspitze wird man doch mal ganz kurz ins verbotene Gelände setzen dürfen, oder? Sonst regt sich doch niemand auf.

Weil man aus den Erfahrungen der Dschungelshow gelernt hat, will Ruth Moschner bei Big Brother "auch diagnostizieren und kommentieren". Aber im Prinzip ist das alles für sie nur Durchgangsstation. Irgendwann will sie Programmdirektorin bei einem großen Sender werden.

Andere Karrierechancen hat sie indes ungenutzt gelassen. "Ich wäre weiter, wenn ich gewisse Bikinifotos gemacht hätte", sagt sie, und es klingt nicht nach Skrupel, sondern nach Kalkül. Die werde es "derzeit" nicht geben, betont sie. Und wenn schon, dann geht eine wie Ruth gleich aufs Ganze: "Vielleicht habe ich ja irgendwann das Bedürfnis, mich nackig zu machen."

© SZ vom 1.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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