Familienzuwachs:Das süße Geheimnis des Kanzlers

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Die Geburt eines Kindes ist ein privates Weltereignis. Die Adoption auch. Die Schröders, ihre Freunde und Bekannten sowie die Mitarbeiter des Kindergartens und des eingeschalteten Jugendamtes haben den Vorgang lange geheimgehalten - wie ein Staatsgeheimnis eben.

Von Hans Leyendecker

München, 17. August - Das Haus von Gerhard Schröder, 60, und Doris Schröder- Köpf, 41, im Zooviertel zu Hannover wird immer wieder mal von Kamerateams und Fotografen belagert. Als der Kanzler und seine Frau vor ein paar Jahren in das Reihenendhaus einzogen, harrten draußen tagelang Pulks von Bildberichterstattern aus.

Um den Reportern zu entgehen, verließ Frau Schröder-Köpf das Haus manchmal nur in der Dunkelheit.

Am vergangenen Montagnachmittag und am Dienstagmorgen kamen die Reporter wieder.

Ein Gerücht, das tagelang durch Berlin schwirrte, hatte sich bestätigt. Die Schröders haben vor etlichen Wochen in Sankt Petersburg ein drei Jahre altes Mädchen adoptiert, das in einem Kinderheim lebte und jetzt Viktoria Schröder heißt.

An Bord einer Lufthansa-Maschine ist das Kind nach Deutschland gekommen. Die Kleine geht in Hannover in einen Kindergarten und ist quietschfidel. Sie sagt "Mama" und "Papa", und der Vater geht sogar ab und zu mit der Kleinen auf den Spielplatz und ist, so sagen Freunde, kein bisschen streng. Aber das ist häufig so, wenn die Männer schon ein bisschen älter sind und sich dann noch Nachwuchs einstellt.

Die Geburt eines Kindes ist ein privates Weltereignis. Die Adoption eines Kindes auch. Die Schröders, ihre Freunde und Bekannten sowie die Mitarbeiter des Kindergartens und des eingeschalteten Jugendamtes zu Hannover haben den Vorgang lange geheimgehalten - wie ein Staatsgeheimnis eben.

Der Wechsel nach Deutschland in eine richtige Familie mit Mutter, Vater und der Schwester Klara, 13, ist für ein Mädchen aus einem Heim in Sankt Petersburg aufregend genug. Das Kind sollte sich einleben können, ohne den Trubel, der jetzt losgeht.

Beinahe wäre der Familienzuwachs der Schröders schon vor Wochen Thema in den Zeitungen geworden. Die in Berlin erscheinende B.Z. veröffentlichte am 1. August ein Foto aus dem Italien-Urlaub der Schröders. Auf dem Foto war der Kanzler zu sehen, sowie Tochter Klara und Doris Schröder-Köpf, die sich um ein kleines Kind kümmerte. Ein "Kind von Freunden" stand in der Bildunterzeile. Die Veröffentlichung des Fotos hatte ein juristisches Nachspiel.

Es ist verboten, Fotos von Minderjährigen zu zeigen, wenn die Eltern nicht einverstanden sind, und da sind die Schröders wirklich streng. Von der 13-jährigen Klara gibt es kein einziges öffentliches Bild, und das Haus in Hannover ist Sperrgebiet für Fotografen und Klatschreporter.

Die Ullstein GmbH, zu deren Reich die B.Z. gehört, gab prompt eine Unterlassungserklärung ab und versicherte, künftig weder das veröffentlichte Foto noch andere Fotos aus der Serie zu zeigen.

Das Verbot hatte Klara, vertreten durch ihre Mutter, erzwungen. Der Name Viktoria taucht in der Unterlassungserklärung natürlich nicht auf, denn da war die Adoption noch geheim. Allerdings hat die drohende Vertragsstrafe das Boulevardblatt nicht davon abgehalten, am gestrigen Dienstag nach Bekanntwerden der Nachricht doch ein weiteres Foto aus der Serie zu drucken - wie das Leben auf dem Boulevard eben so braust.

Die Schröders sollen sich, so ist aus dem Bekanntenkreis zu erfahren, jahrelang auf die Adoption vorbereitet haben. Doris Schröder-Köpf kaufte sich ein Buch über Auslandsadoptionen. Das Ehepaar legte auch Wert darauf, dass das neue Haus in Hannover nicht nur ein Gäste-, sondern zwei Kinderzimmer hat. Der Privatwagen der Schröders ist eine Familienkutsche, was bei nur einem Kind nebst Terrier ziemlich übertrieben wirkte.

In Russland kann es dauern, bis Adoptionen, die vom Gericht bestätigt werden müssen, von den Behörden genehmigt werden. Sehr penibel sollen sich die Schröders an die Auflagen gehalten haben. Den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin informierten sie, dass sie die Adoption planten und der Kanzler unterrichtete ihn, als das Ereignis feststand. Der ehemalige Geheimdienstler wird aber vermutlich schon vorher von seinen alten Arbeitskollegen über den Familienzuwachs der Schröders informiert worden sein.

Alle Spekulationen, die Mutter, eine gelernte Journalistin, werde in ihren Beruf zurückkehren oder mit Mann und Kind nach New York ziehen, haben sich in Luft aufgelöst. Doris Schröder-Köpf, Kanzlergattin, Hausfrau, Buchautorin und Schirmherrin, hat die meisten ihrer Termine abgesagt. Ein Kind braucht seine Mutter - ganz besonders, wenn es aus einem Heim in Sankt Petersburg kommt.

© SZ vom 18.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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