Falscher Earl of Buckingham:Die Wahrheit liegt im Schweizer Schließfach

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Ein Mann, der sich in Großbritannien mehr als 20 Jahre lang als Hochadeliger ausgab, soll ehemaliger Stasi-Spion sein.

Wolfgang Koydl

In den kommenden 21 Monaten hat der falsche Earl of Buckingham wohl genügend Zeit im Gefängnis, die er dazu nutzen könnte, sein Leben zu einem Drehbuch zu verarbeiten. Ausreichend Absonderlichkeiten hat der 41-Jährige dafür angesammelt. Am vergangenen Dienstag war er verurteilt worden, weil er sich einen britischen Pass unter Angabe des falschen Namens Buckingham erschlichen hatte.

Der Paß des falschen Lords (Foto: Foto: AFP)

Wesentliche Bestandteile des Lebens des Christopher Edward Buckingham wurden - soweit bekannt - allerdings schon literarisch verarbeitet. Sein erster Trick, die Identität eines mit acht Monaten gestorbenen Säuglings zu stehlen, war zum Beispiel aus Frederick Forsythes Roman "Der Schakal" abgekupfert. Und was in den vergangenen Tagen bekannt wurde, erinnert stark an den Spionagethriller "Bourne Identity".

Nach neuesten Vermutungen der Behörden könnte es sich bei dem Mann, der sich standhaft weigert seine wahre Identität preiszugeben, um einen im Westen gestrandeten DDR-Spion handeln. "Wir kontaktierten die üblichen Behörden", sagte ein Polizeisprecher. "Bislang hat ihn niemand für sich reklamiert, aber wenn er wirklich für eine ausländische Macht gearbeitet hat, dann würden sie uns das kaum verraten."

Für die Spionage-These spricht, dass der Mogel-Lord fließend Deutsch spricht und sich trotz seiner vermeintlich hochadeligen britischen Herkunft lange in Deutschland aufgehalten hat. Die Times spürte nun Buckinghams letzten Wohnsitz in Hohentengen am Hochrhein auf. Hier bewohnte der "Herr Buckingham" eine Drei-Zimmer-Wohnung - komplett mit Balkon, Garage und blauem Audi 80.

Wie gut sich Buckingham zu verstellen versteht zeigt sich daran, dass die britischen Behörden von dem Wohnort nichts wussten. Bekannt ist ihnen hingegen die Existenz eines Schließfaches in einer Schweizer Bank.

Fürstlich: das Wappen auf Buckinghams Briefkopf (Foto: Foto: AP)

Hier, so Buckingham bei Vernehmungen, lägen neben einer Schusswaffe Beweise für seine Identität. Auch der Romanheld Jason Bourne fand Hinweise auf sein wahres Ich in einem Zürcher Bankschließfach. Buckinghams Box lässt sich jedoch angeblich nur mit seinem Daumenabdruck öffnen.

Wenn das stimmt, könnte auch Buckinghams Freundin Anita Keller nicht weiterhelfen. Die Schweizer Krankenschwester, die der fiktive Baron bei der Kur nach einem Autounfall kennen gelernt hatte, soll eine Vollmacht für das Schließfach besitzen. Doch verweigert Keller jede Zusammenarbeit mit den Behörden. Auch Geld scheint der falsche Earl, noch zu haben. Die Novembermiete, so bestätigte seine Vermieterin in Hohentengen der Times, sei überwiesen worden.

Auf die Vermieterin machte der "Herr Lord" einen guten Eindruck: "Er war sehr angenehm", erinnerte sie sich. "Wir haben ihn monatelang nicht gesehen, aber er hat Nachbarn gesagt, dass er eine Zeitlang weg sein werde, weil er seine Burg in England renovieren müsse."

© SZ vom 14.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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