Fahndung nach Bankräuber:Filmreife Flucht

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Die Polizei jagt einen Mann, der sich seit Monaten auf einem rätselhaften Raubzug durch Deutschland befindet. Immer wieder stehen die Ermittler kurz davor, ihn zu fassen, immer wieder entkommt er ihnen.

Marc Widmann, Frankfurt

Thomas F. sieht so friedlich aus auf dem Fahndungsfoto, fast harmlos: Dieser warme Hintergrund, der offene Blick in die Kamera, das vorsichtige Lächeln. Schwer zu glauben, dass derzeit die Polizei aus drei Bundesländern hinter ihm her ist, wegen Raubüberfällen, Geiselnahme und versuchten Mordes an einem Polizisten. Dass ihn inzwischen eine eigene Sondereinheit jagt. Dass da in großer roter Signalfarbe auf den Plakaten steht: "Person ist bewaffnet und gefährlich!"

Thomas Feldhofer ist seit Monaten auf der Flucht. Er wird wegen räuberischer Erpressung, mehreren Raubüberfällen und versuchten Mordes gesucht. Die Polizei rätselt über sein Motiv. (Foto: Polizei NRW)

Seit vier Monaten ist Thomas F. bereits auf der Flucht, und sollte seine wilde Reise durch Deutschland einmal verfilmt werden, hat er den Regisseuren schon jetzt genügend dramatische und auch groteske Szenen geliefert. Nur auf eine Frage gibt es bislang keine Antwort: Was treibt ihn zu seinen Verbrechen? "Solange wir ihn nicht haben, ist das alles ein Rätsel", sagt die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Doris Möller-Scheu.

Seine neueste Serie beginnt, nach allem was die Ermittler bisher wissen, in Nordrhein-Westfalen. Am 17. August überfällt der 46-jährige Krefelder eine Bankfiliale im Städtchen Voerde. Noch ist er ein eher gewöhnlicher Krimineller, der für ähnliche Überfälle schon mal mehrere Jahre im Gefängnis saß, wie der Duisburger Oberstaatsanwalt Detlef Nowotsch sagt. Das ist schon einige Jahre her.

Nun aber scheint F. Gefallen gefunden zu haben an spektakulären Raubzügen. Als nächstes taucht er Anfang November in Wolmirsleben auf, mitten in Sachsen-Anhalt. Dort stürmt er einen Schreibwarenladen, erbeutet unter anderem einen alten schwarzen VW Polo, mit dem er flüchtet. Er setzt seinen Beutezug wieder in Nordrhein-Westfalen fort, überfällt unter anderem eine Tankstelle.

Anfang Dezember hätte seine Flucht zu Ende sein können, Polizisten in Krefeld bemerken seinen Polo, wollen ihn stoppen, aber F. gibt Gas, rast auf die Beamten zu und entkommt trotz der Schüsse, die sie auf ihn feuern. Der Haftbefehl wird jetzt erweitert, er lautet nicht mehr nur auf räuberische Erpressung sondern auch auf versuchten Mord. Die Boulevardmedien nennen F. nun den "Polo-Rambo". Es bleibt nicht dabei.

Vergangene Woche schlägt der Flüchtige plötzlich in Hessen zu, im beschaulichen Taunus-Örtchen Kronberg, wo um diese Zeit wohlhabende Bankiersgattinnen ihren Weihnachtsbummel absolvieren. F. ist offenbar auf der Suche nach einem neuen Wagen, der Polo wurde wohl zu sehr beschädigt bei der Flucht. In einem Elektrogeschäft hält er der Verkäuferin eine Pistole vors Gesicht. Die Frau jedoch hat kein Auto, sie kann die Fesseln schnell abstreifen und alarmiert die Polizei.

So kommt der Flüchtige zu seinem neuen Spitznamen: "der irre Bus-Entführer". Am Kronberger Bahnhof stoppt eine Polizeistreife den Flüchtigen, sie fragt nach seinem Ausweis. Aus seinem Rucksack zieht F. die Pistole und hetzt zu einem Linienbus. Er gibt sich als Polizist aus und befielt dem Fahrer, die Route zu ändern. Mehr als eine halbe Stunde kurvt der Linienbus mit acht Fahrgästen an Bord durch den Taunus, und es dauert längere Zeit, bis dem Fahrer aufgeht, dass da kein braver Beamter das Kommando übernommen hat: "Als der von den ganzen Leuten das Geld einsammelte, wurde mir klar, dass das wohl doch kein Polizist ist", sagt Franz S.

Nach 20 Kilometern stoppt F. die Irrfahrt und stürmt auf den grauen Peugeot eines Rentners zu, nach kurzer Rangelei entreißt er dem 71-Jährigen die Schlüssel und braust davon. Am Dienstag nun, so berichten es Ermittler, soll er damit in Sachsen-Anhalt wieder mal eine Bank überfallen haben. Es gibt einige Kriminelle, die lange auf der Flucht waren vor der Polizei, der Schwerverbrecher Thomas Wolf versteckte sich gleich zehn Jahre lang und entführte zwischendurch eine Bankiersfrau. Aber nur wenige verhalten sich derart dreist und riskant wie F.

Inzwischen hat die Polizei eine Belohnung von 3000 Euro ausgesetzt und Fotos von ihm sowie seinen beiden Fluchtwagen veröffentlicht. Er ist, so steht es auf den Fahndungsplakaten, 1,82 Meter groß, 85 Kilogramm schwer, und trägt vermutlich immer noch Jeans, die dunkle Winterjacke und die beige Basketballkappe. Vielleicht überfällt er demnächst aber auch mal ein Kleidungsgeschäft, irgendwo in Deutschland. Die Frankfurter Staatsanwältin Möller-Scheu jedenfalls sagt: "Der kann noch eine Weile unterwegs sein."

© SZ vom 22.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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