Exotischer Fruchtsaft:Wellness oder Krankenbett

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In Europa soll der Saft der tahitischen Noni-Frucht zum Trendgetränk werden. Ärzte vermuten jedoch, dass er Leberschäden verursacht.

Von Tanja Schwarzenbach

Südseeflair gibt es im Internet unter www.tahitiannoni.com gratis: Trommelgeräusche, türkisfarbenes Meer und den Anblick einer jungen Tahitianerin, die süß aus dem Bildschirm lächelt.

Wirklich lecker sieht die Noni-Frucht nicht gerade aus. Die gesundheitliche Wirkung ihres Saftes ist umstritten. (Foto: Foto: AP)

Das geheimnisvolle Elixier aber, das sie in den Händen hält -- eine Flasche Noni Juice der Firma "Tahitian Noni International" (TNI) -- hat ihren Preis. 53,20 Euro kostet ein Liter des rotbraunen Saftes.

Dafür soll der Trunk geistige Frische, bessere Leistungsfähigkeit und "unbegrenzte Wellness" bringen.

In München, wo gerade der erste TNI-Shop Deutschlands eröffnete, wird man das Trendgetränk bald auch serviert bekommen: Nebenan entsteht das erste Noni-Café Europas.

Unlängst erlitt das Wohlfühlimage der "Tahitian Noni International Deutschland GmbH" jedoch Kratzer: In Österreich meldeten Ärzte drei Fälle schwerer Leberentzündungen, die in Zusammenhang mit dem Konsum von "Tahitian Noni Juice" stehen könnten.

Leicht ranziger Käsegeschmack

Und wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung erklärte, soll auch in Deutschland ein "Verdachtsfall einer unerwünschten Wirkung von Noni-Saft" bestehen.

Auch hier wurde eine Leberentzündung diagnostiziert. Unklar ist jedoch, welchen Noni-Saft der mittlerweile 20 Anbieter der deutsche Patient getrunken hatte.

Noni (Morinda citrifolia), eine hühnereigroße, grüne Frucht, gilt in der traditionellen polynesischen Volksmedizin als wichtige Heilpflanze. Wegen ihres leicht ranzigen Käsegeschmacks wird sie in Australien auch "Cheese Fruit" genannt.

Wahrscheinlich gibt es den Wirkstoff gar nicht

Die Wirkung ihres Saftes ist aber hoch umstritten. Laut TNI enthält die Frucht "Xeronin", einen angeblich gesundheitsfördernden Wirkstoff, der jedoch anderen Experten zufolge gar nicht existiert.

Die Europäische Kommission ließ Tahitian Noni Juice im Jahr 2003 als neuartiges Lebensmittel zu. Dort betont man, dass der Saft, der bei TNI zu 89 Prozent aus Püree der Nonifrucht besteht, keinerlei Wirkung hat, die über die eines normalen Fruchtsaftes hinausgeht.

Rund 50 000 Flaschen Noni-Saft produziert die TNI, deren Zentrale im US-Bundesstaat Utah liegt, täglich. Nur ein Jahr nach der Einführung von "Tahitian Noni Juice" in Europa geriet das Getränk in den Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein.

Darauf aufmerksam wurde die österreichische Ärztin Gunda Millonig, als sie Anfang 2004 an der Innsbrucker Uniklinik einen 45-jährigen Tiroler behandelte, der an einer schweren Leberentzündung litt.

Möglicherweise Ursache für Leberschäden

Die Ergebnisse sämtlicher Untersuchungen auf mögliche Ursachen, wie etwa eine Infektion mit Hepatitisviren, waren negativ. Wie sich herausstellte, hatte der Tiroler jedoch über drei Wochen hinweg "Tahitian Noni Juice" konsumiert. Nach Absetzen des Saftes normalisierten sich die Werte wieder.

Millonig legte daraufhin in einer im renommierten European Journal of Gastroenterology & Hepatology veröffentlichten Fallstudie dar, dass möglicherweise Inhaltsstoffe des Pflanzensaftes die Leberschäden verursacht hätten.

Auf Millonigs Erkenntnisse reagierte im August 2004 ein Professor der Medizinischen Uniklini in Graz: Der Gastroenterologe Rudolf Stauber berichtete von zwei weiteren Fällen, die auf den Konsum von "Tahitian Noni Juice" zurückzuführen sein könnten.

Zahlreiche Widersprüche

Einer der beiden Patienten verfiel sogar in ein Leberkoma. Seine Leber war allerdings vorgeschädigt. Stauber erklärt, dass er an einen Zusammenhang mit dem Saft glaube, es aber nicht bewiesen werden könne. Hierfür müssten die Patienten den Saft nochmals trinken, was nicht zumutbar sei.

TNI bestreitet inzwischen, dass es sich bei dem von Staubers Patienten getrunkenen Saft um den des Unternehmens gehandelt habe. Widersprüche gibt es auch im Streit mit der Ärztin Gunda Millonig.

In einer Stellungnahme beruft sich TNI auf einen Toxikologen der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, der Millonigs Fallstudie fehlende wissenschaftliche Standards vorwirft. Der Experte habe sich mit der Ärztin bereits zu einem Gespräch getroffen, heißt es.

Millonig dementiert dagegen, dass ein solches Treffen jemals stattgefunden habe. Stattdessen traktiere TNI sie fast täglich mit E-Mails.

Kein abschließender Kommentar

Auf Grund der Verdachtsmomente der Ärzte ließ die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) den "Tahitian Noni Juice" untersuchen.

Ergebnis: Weder bei dem Saft, den ein Patient getrunken hatte, noch bei Kontrollproben waren bestimmte toxische Stoffe nachzuweisen, die zu einer Leberentzündung hätten führen können.

TNI wertet dies als Beweis für die Unbedenklichkeit des Saftes. Die Untersuchung wollte man aber auf SZ-Anfrage nicht abschließend kommentieren.

Derweil wollen Verbraucherschützer möglichen Gefahren durch das Getränk weiter nachgehen: Das Deutsche Bundesamt für Lebensmittelsicherheit hat eine Studie angeregt, die nun untersuchen soll, ob sich Inhaltsstoffe von Noni-Säften durch Lagerung verändern.

© SZ vom 03.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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