Eschweiler-Prozess:"Höchstmaß an Menschenverachtung"

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Oberstaatsanwalt Albert Balke kann und will seine Erregung nicht verbergen: "Wir haben es hier mit Tätern zu tun, die Kinder von der Straße abfischen, missbrauchen, töten und wie Abfall wegschmeißen." Die mutmaßlichen Mörder der Kinder Tom und Sonja, des Geschwisterpaars aus Eschweiler, müssten daher lebenslang hinter Gitter.

"Wie sollen Eltern ihre Kinder noch schützen?", fragt Balke in seinem Plädoyer gegen die beiden Mörder von Tom und Sonja vor der Schwurgerichtskammer des Aachener Landgerichts.

Die Angeklagten Markus Lewendel (rechts) und Markus Wirtz. (Foto: Foto: AP)

Entführung und Ermordung der beiden elf und neun Jahre alten Geschwisterkinder aus Eschweiler und die Vergewaltigung der kleinen Sonja durch die Angeklagten Markus Lewendel und Markus Wirtz sind laut Balke nur durch eine lebenslange Haftstrafe unter Berücksichtigung der besonderen Schwere der Schuld beider Männer zu bestrafen.

"Das "personifizierte Böse"

Die Tat zeichnet sich nach Auffassung des Oberstaatsanwalts durch ein "Höchstmaß an Menschenverachtung an den Unschuldigsten" aus.

Auch Silke Kirschvogel, die vor Gericht die Eltern der getöteten Kinder vertritt, spricht von einem "überdurchschnittlichen Schuldmaß" der beiden Angeklagten. Lewendel, der während des gesamten Prozesses nahezu keinerlei Gefühlsregung zeigte, nennt die Anwältin gar das "personifizierte Böse".

Nur eine an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung könne die Allgemeinheit schützen. Der 28 Jahre alte Wirtz und der 34-jährige Lewendel hätten sich "aus Unzufriedenheit mit ihrem eigenen Leben an den Schwächsten vergriffen", erklärt die emotional aufgewühlte Juristin im vollbesetzten Schwurgerichtssaal.

"Sie sollen ahnen, was sie angerichtet haben"

Zuvor hat der Vorsitzende Richter Gerd Nohl die Zuhörer ermahnt, sich bei den Plädoyers jeglicher Zustimmung oder Unmutsäußerung zu enthalten.

Für Oberstaatsanwalt Balke, der sich in seinem Plädoyer als "leidenschaftlichen Gegner der Todesstrafe" bezeichnet, sollen Wirtz und Lewendel nach einem langen Leben in Haft am Ende zumindest "eine Ahnung davon haben, was sie angerichtet haben".

Mit den beiden Männern seien in Eschweiler "leider die zwei Richtigen zusammengekommen". In einer Zweckgemeinschaft hätten sie sich mit ihren Fantasien von Sex und Gewalt gegen kleine Mädchen "gegenseitig hochgeschaltet und eine Spirale in Gang gesetzt, die ganz blutvoll geendet hat."

Nicht psychisch krank

Keiner der geständigen Männer ist nach Einschätzung der Gutachter psychisch krank. Sie attestierten ihnen vergangene Woche volle Schuldfähigkeit. Während Wirtz mit der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung vor allem seine sexuellen Fantasien befriedigt habe, ging es Lewendel nach Einschätzung von Kirschvogel vor allem darum, "totale Macht gegenüber den hilflosen Kindern" auszuüben.

Keine Erklärung

Selbst die vier Verteidiger der beiden hinter Panzerglas sitzenden Angeklagten finden in ihren Plädoyers keine Erklärung für die Verbrechen ihrer Mandanten. Keiner der Anwälte nennt ein konkretes Strafmaß für die grauenvollen Taten, die im Frühjahr über die Grenzen Deutschlands hinaus Entsetzen hervor gerufen hatten.

Während Wirtz-Anwalt Frank Seebode "eine gerechte Stafe" für den 28-Jährigen fordert, steht für Lewendel-Verteidiger Wolfgang Strauch fest, dass die Schwurgerichtskammer gar nicht anders kann, als eine lebenslange Haft zu verhängen und zudem die besondere Schwere der Schuld anzuerkennen.

"Das Ticken abstellen"

Dennoch spricht sich Strauch dafür aus, auch den Kindermördern einen "Hoffnungsschimmer" zu lassen, wieder in Freiheit zu kommen. In 20 oder 25 Jahren könne eine Haftentlassung seines Mandanten möglicherweise anders bewertet werden als heute, sagte Strauch.

Sein Kollege Hans Lambert ergänzt für Lewendel, der sich im Prozess mehrmals als "tickende Zeitbombe" bezeichnet hatte, sein Mandant müsse in der Haft behandelt und therapiert werden: "Man kann das Ticken auch abstellen."

Seebode weist in seinem Plädoyer ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem im Prozess oft weinerlich wirkenden Wirtz "um keine Bestie, kein Monster" handele. Der 28-Jährige leide an der Vergangenheit. Der zweite Wirtz-Anwalt, Gottfried Weins, macht auch die Eltern und die Schule für das Abdriften des Angeklagten in Gewalt- und Sexualfantasien verantwortlich.

Wirtz selbst sagt in seinem Schlusswort, er bedauere die Taten und das, was er den Opfern und ihren Angehörigen angetan habe. "Nicht um meinetwillen, sondern wegen der Kinder", sagte der Angeklagte. Das Gericht wird das Urteil am kommenden Montag verkünden.

(sueddeutsche.de/AP)

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