Erstes TV-Interview:"Man wird Natascha Kampusch sehen"

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Heute abend strahlt der ORF das erste Gespräch mit Natascha Kampusch aus. Der Interviewer sagte, die 18-Jährige habe auf eigenen Wunsch keine Verkleidung oder Maske getragen. Das Entführungsopfer spricht über ihre Zukunftspläne - und wie sie vergeblich andere Menschen mit den Augen um Hilfe gebeten habe.

Der Journalist Christoph Feurstein, der das Interview am Dienstag Nachmittag geführt hatte, gab diese Details in der Sendung "Zeit im Bild" des österreichischen Rundfunks ORF bekannt. "Man wird sie sehen", erklärte Feurstein. Es sei ihr eigener Entschluss gewesen, sagte der Reporter.

Er habe selbst "Gänsehaut bekommen" in Momenten, als sie vom Morgen der Entführung erzählt habe oder von der "unheimlichen Stille" in dem winzigen Verlies im Haus ihres Entführers Wolfgang Priklopil.

Erschüttert hätten ihn ihre Aussagen, wonach sie bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ihr Entführer sie etwa mit zum Einkaufen genommen hatte, mehrmals Menschen "mit den Augen um Hilfe gebeten" habe: "Sie sagt, sie hat versucht, Menschen auf sich aufmerksam zu machen und niemand hat geholfen."

"Energiegeladen und aktiv"

Kampusch sei "etwas verschnupft" gewesen, aber "sehr energiegeladen, sehr aktiv und voller Wünsche für die Zukunft". Er habe eine "sehr selbstbewusste, intelligente Frau" getroffen, sagte Feurstein, der seit der Entführung der damals Zehnjährigen im März 1998 immer wieder über ihren Fall berichtet hatte.

Die 18-Jährige habe ihn mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter beeindruckt und erstaunt. Man dürfe sich aber nicht täuschen lassen von ihrem Auftreten und müsse im Hinterkopf immer die Situation behalten, in der sie mehr als acht Jahre lang gelebt habe.

Natascha Kampusch war am 2. März 1998 auf dem Weg zur Schule von dem Nachrichtentechniker Priklopil entführt worden. Nach mehr als acht Jahren in seiner Gewalt gelang ihr am 23. August die Flucht vor dem 44-Jährigen, der sich wenig später vor einen Zug warf.

Weiter intensive Betreuung nötig

Seitdem wird sie an einem geheim gehaltenen Ort medizinisch und psychologisch betreut. Nach dem Urteil ihrer Betreuer ist Kampusch schwer traumatisiert und muss noch mindestens ein Jahr lang intensiv psychologisch begleitet werden.

Feurstein sagte, er selbst habe den Eindruck gewonnen, die 18-Jährige wollte ihre Erlebnisse jetzt selbst schildern. Der Zeitpunkt sei von dem Betreuerteam auch gewählt worden, um die Aufregung um ihre Person zu beruhigen: "Wir hoffen, dass die Menschen sagen, jetzt haben wir ihr Gesicht gesehen, sie hat ihre Geschichte erzählt, jetzt lassen wie Natascha Kampusch ins Leben gehen".

Rund 300 internationale Medien hatten sich für die Exklusivrechte an einem Interview mit der jungen Frau interessiert und nach Medienberichten sechsstellige Summen geboten. Kampuschs Medienberater Dietmar Eckert hat ein Paket geschnürt, mit dem nach seinen Angaben sowohl das Bedürfnis der Öffentlichkeit befriedigt als auch die Zukunft der jungen Frau gesichert werden soll.

ORF bekommt Exklusivrechte

Der öffentlich-rechtliche ORF soll der einzige Fernsehsender bleiben, der Aufnahmen von Kampusch machen konnte. Das Unternehmen, das für die Exklusivrechte nach Eckerts Angaben "keinen Cent" bezahlt hat, soll auch die weltweite Vermarktung der Aufzeichnung organisieren. Die Einnahmen sollen in den eigens eingerichteten "Natascha Kampusch Fonds" fließen, mit dem die finanzielle Zukunft des Verbrechensopfers gesichert werden soll.

Auf dem Printsektor haben das Boulevardblatt "Kronen Zeitung" und die Info-Illustrierte "News" das Rennen gemacht. Die Medienunternehmen sollen im Gegenzug die Ausbildung und die Wohnsituation der jungen Frau garantieren.

Bereits knapp vor der Ausstrahlung des TV-Interviews werden am späten Nachmittag in Wien schon die ersten Ausgaben der beiden Blätter mit Kampusch-Interviews erhältlich sein. Die Kronenzeitung veröffentlicht Ausschnitte ab 18 Uhr auf ihrer Website www.krone.at.

Das Gespräch mit etwa 20 Minuten Dauer wird am heutigen Mittwoch um 20.15 Uhr im ORF 2 und um 21.15 Uhr von RTL ausgestrahlt.

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